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Erfahrungen eines DDR-Bürgers beim Kauf eines neuen Wartburgs (14. April 1989)

Da der Kauf eines Autos in Ostdeutschland eine über zehnjährige Wartezeit erforderte, zeigt sich der Autor dieses Protestbriefes an das TV-Magazin „Prisma“ sehr verärgert sowohl über dessen zahlreiche Defekte, als auch über das arrogante Verhalten des Firmenvertreters und äußert seine Enttäuschung über die typischen Probleme der Konsumkultur in der DDR.

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Brief Anton S. an die Redaktion „Prisma“ des Fernsehens der DDR


Wertes Prismakollektiv!

Am 08.02.1989 hatte meine Familie das Glück, nach einer Wartezeit von 15 ½ Jahren [ . . . ] einen Wartburg 1.3 käuflich zu erwerben. Frohen Mut’s ging es [ . . . ] zum Autovertrieb. Nach einer Wartezeit von 4 Stunden wurde uns ein Auto, Wartburg 1.3, vorgestellt. Mit den Worten „Das ist Ihr Fahrzeug, schauen Sie es an, inzwischen mache ich die Papiere fertig!“ war das Problem des „Autokaufes“ erledigt. Ich persönlich konnte in der Verkaufshalle keine Fehler am Fahrzeug erkennen [ . . . ]. Unser Auto hatten wir nun in unserem Besitz. In dem Autovertrieb [ . . . ] befindet sich eine Autozubehörverkaufsstelle. Könnte es nicht möglich sein, daß für ein neues Auto auch Schonbezüge [ . . . ] und Radkappen zum Verkauf gestellt werden? [ . . . ] Sollen wir erst nach Berlin fahren? Wenn wir vom Dorf wegen jeder Kleinigkeit nach Berlin fahren sollen, reicht unser 18tägiger Jahresurlaub einfach nicht zu. [ . . . ]

Auf der Heimfahrt [ . . . ] blies mir von der Seitenlüftung die Luft direkt ins Gesicht. Also verkehrte Einstellung. Durch Drehen der Belüftungsfächer wollte ich die richtige Einstellung erreichen. Beide Fächer fielen nach innen. Diesen kleinen Fehler beseitigte ich zu Hause selbst. [Nach nur wenigen Tagen Betrieb war die] Batterie [ . . . ] fast völlig leer. Nach ausgiebiger Fehlersuche bemerkte ich, daß der Ausschalter im Kofferraum verbogen und nicht unterbrochen war. Also brannte seit [ . . . ] dem Kauftag das Licht im Kofferraum. Resultat, die Batterie war vollkommen entladen. Die Ursache war, daß der Winkel an der Kofferklappe, welcher diesen Schalter betätigt, zu weit nach innen reichte. Der Winkel wurde nachgebogen und somit dieser Fehler behoben. Bei dieser Aktion stellte ich fest, daß die Arretierung der Kofferklappe [ . . . ] nur links funktionierte. Die rechte Seite rastete nicht ein.
[ . . . ] Auf [einer anderen] Heimfahrt [zwei Tage später] stellte sich starker Regen ein und die Scheibenwischer sollten in Aktion treten. Aber [kein] Scheibenwischer bewegte sich. Nach Abstellen des Motors hörte ich, daß sich der Scheibenwischermotor drehte, aber die Arme bewegten sich nicht. Die Ursache war, daß sich die Mutter von der Scheibenwischerwelle gelöst hatte, und das Gestänge baumelte lustig herum. Auch dieser Fehler wurde von mir beseitigt. [ . . . ]

Nach einer größeren Fahrt [ . . . ] stellte ich fest, daß das Getriebe eigenartige Geräusche von sich gab. Dieses erwog mich, meine Vertragswerkstatt [ . . . ] aufzusuchen und das Fahrzeug einer genauen Kontrolle zu unterziehen. [Die Werkstatt hat] sofort eine Garantiemeldung an das Autowerk Eisenach eingeleitet. Am 12.4.1989 war nun der Termin, an dem ein Vertreter von AWE Eisenach [ . . . ] kam. Unser Fahrzeug war leider nicht das einzige, welches größere Fehler aufzuweisen hatte, es waren 5 oder 6 Stück. [ . . . ] Nach einer genauen Einsicht durch den Vertreter vom Autowerk Eisenach, Koll. K., meinen Aufzeichnungen und einer Probefahrt zur Feststellung der Mängel kam es zu einer unschönen Aussprache. Zu dem Problem »Getriebe« gab es keine Einwände. Es soll ein neues eingebaut werden, auch die Türen (sie klemmen) [sollen] neu eingestellt werden. Alles andere, so sagt Koll. K., seien keine Garantiefälle. Auch die Antriebe weisen Mängel auf. Man sagte mir, daß dieses konstruktionsbedingt sei, was ich auch verstand. Es ist und bleibt aber ein Konstruktionsfehler!

[ . . . ] Aber was soll denn alle Pflege, wenn schon nach 6-8 Wochen aus allen Falzen des Wartburgs 1.3 der Rost austritt. Nach meinen Bemerkungen, daß ich und meine Familie für gutes Geld, durch unsere Hände Arbeit auch gute Ware verlangen kann, bekam ich zur Antwort, daß dieses nicht sein Problem sei und ich dieses Auto ja nicht kaufen brauchte. Auch er sei bereit, mir für den Wartburg 1.3 30 200,00 Mark zu bezahlen und das Auto wäre sein eigen! [ . . . ] Muß man sich so eine Frechheit gefallen lassen? [ . . . ] Können wir uns so etwas, besonders jetzt in der Vorzeit der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 leisten?

Mit freundlichem Gruß,
Anton S.


Quelle: „Brief Anton S. an die Redaktion »Prisma« des Fernsehens der DDR“, 14. April 1989, in Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, Historisches Archiv, Zeitzeugensammlung, ohne Signatur; abgedruckt in Matthias Judt, Hg., DDR-Geschichte in Dokumenten. Berlin, 1998, S. 142-43.

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