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Rhapsodie in Blue Jeans (1959)

Dieser kurze und skurrile Artikel zum Lob der Blue Jeans erschien in der ersten Ausgabe der einflussreichen Jugendzeitschrift „Twen“, die zwischen 1959 und 1971 in der Bundesrepublik erschien. Diese linksliberale Zeitschrift wurde für ihre Innovation hinsichtlich Layout, Photographie und Design hoch gelobt und brachte eine Bandbreite von Artikeln zu Themen, die junge Leute interessierten – von Mode und Lifestyle bis Musik und Film. Auch schwierigere Themen wurden aufgegriffen, einschließlich solcher, die sich auf Sexualität und auf die aktuelle Politik bezogen.

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Von Mode kann man hier nicht mehr sprechen. Die Sitte, Blue Jeans zu tragen, ist ein Naturereignis. Ozeane, Kontinente und auch der Eiserne Vorhang werden von der blauen Lawine aus Amerika mühelos überwunden. Nur im roten China scheint de Jugend noch mühelos zu widerstehen. Dort tragen alt und jung und Mann und Frau ohnehin nur blaue Leinenkittel – Monteuranzüge. Aber das ist etwas anderes. Blue Jeans sind keine „Schlosserhosen“. Blue Jeans sind eine ländliche Bekleidung. Die Farmer haben sie aufgebracht. Sie brauchen zur Farmarbeit leichtes und trotzdem reißfestes Zeug, Hosen, die das ganze Bein bis zum Knöchel bekleiden, damit es vor Unterholz und Mückenstichen geschützt ist. Ja, so prosaisch hat es angefangen.

Dass man sie bald nicht mehr zur Arbeit trug, sondern auch zum Vergnügen – weil das Picknick die Bierkneipe und das Kaffeekränzchen ersetzte -, deutet in mehrfacher Hinsicht auf eine gesellschaftliche Revolution: Nicht der junge Herr mit Stock und Melone ist heute auf der Stufenleiter oben, sondern der „natürliche Boy“. Aber vielleicht erklärt sich alles viel weniger kompliziert. Die Jugend gefällt sich einfach in Jeans. Sie machen lange Beine und schmale Hüften, das sieht allemal gut aus.

Jeans sollten im Gegensatz zur bayerischen Lederhose nicht speckig sein. Sie gehören häufig gewaschen, bis sich am Oberschenkel hellgebleichte Stellen zeigen. Die Nieten müssen aus Kupfer sein. Ja, das sind strenge Bräuche, und mancher wittert hinter solchen Riten nichts weiter als einen neuen Hang zur Uniform.

Aber da haben wir wenig Sorge. Das einzige, was sich im Blue-Jeans-Zeitalter stramm verhält, ist die Hose selber. Sie sitzt so eng, dass man die Hände nicht in die Hosentaschen kriegt. Man hängt die Daumen einfach in den Bund. Gürtel sind überflüssig. Jeans halten auch so.

Das italienische Starmodell Elsa Martinelli war es angeblich, die die Abart der „nassen Jeans“ erfand. Sie geht mit Vorliebe in vollem Beinkleid unter die Brause. Danach klatscht natürlich nicht nur die Hose, sondern auch das Publikum. Aber das ist nicht jedermanns Sache. Mancher ist darob verschnupft.

PS: Wer Blue Jeans trägt, braucht kein Taschentuch. Sie sind ja sooo praktisch.



Quelle: Emerich Budweis, „Rhapsodie in Blue Jeans“, Twen, Nr. 1, 1959, S. 42.

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