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Die Definition der Reformation – Der Reichstag zu Augsburg (1530)

Die zentralen Streitfragen der religiösen Spaltung wurden auf dem Reichstag zu Augsburg (1530), der größten Reichsversammlung zwischen 1495 und 1648, offiziell definiert. Karl V., erst kurz zuvor von Papst Paul II. zum Kaiser gekrönt, war ins Reich zurückgekehrt, um die Spaltung durch Verhandlungen mit den Ständen zu schlichten. Er lud die Protestanten ein, ihm eine Darlegung ihrer Doktrin vorzulegen, auf die seine eigenen Theologen anschließend antworten sollten. Die lutherischen Fürsten und Städte reichten die Augsburger Konfession ein, welche später zum definitiven lutherischen Glaubensbekenntnis avancieren sollte; zwei weitere (weniger beachtete) Darlegungen stammten von Zwingli sowie einigen süddeutschen Städten. Langwierige Verhandlungen folgten und wurden schließlich abgebrochen, der Reichstag löste sich auf, nachdem die Spaltung der Parteien sich erhärtet hatte. Einige Monate später beschlossen die Protestanten, die Streitigkeiten, die sie untereinander gespalten hatten, beiseite zu legen und ein Verteidigungsbündnis zu schließen. Dies führte Anfang 1531 zur Gründung des Schmalkaldischen Bundes, der den Protestanten Schutz bot, bis er 1547 durch Karl V. auf dem Feld geschlagen wurde. Vor dem Abschluss des Reichstages zu Augsburg unterzeichneten der Kaiser und die Stände der katholischen Mehrheit einen sogenannten „Reichsabschied“, der die Entscheidungen des Reichstags beinhaltete. Der auf den 19. November 1530 datierte Reichsabschied macht unter anderem deutlich, dass dem Kaiser, seinen Beratern, sowie den geistlichen und weltlichen katholischen Fürsten genau bewusst war, was durch die Spaltung hinsichtlich religiöser Lehre, Praxis, kirchlicher Gewalt und Kirchenbesitz auf dem Spiel stand. Insofern lässt sich eine direkte Linie von Kaiser Karls Begegnung mit Luther in Worms 1521 und dem Augsburger Reichsabschied von 1530 ziehen.

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Augsburg, 19. November 1530


Wir Carl der Fünfft [ . . . ] Bekennen und thun kund allermänniglich: Wiewohl Wir auf erstgehaltenem Reichs-Tag zu Wormbs [1521], vor Unserm Abschied aus dem Heil. Röm. Reich, darzu Wir aus fürstehenden Vehden und Kriegen, zu Erhaltung Unserer Königreich und Land, wie männiglich wissend; höchlich verursacht, mit zeitigem gehabten Rath, Willen und Wissen Unserer und des Reichs Churfürsten, Fürsten und Stände, zu Erhaltung Unsers Heil. Christlichen Glaubens, Friedens und Rechtens in dem Heil. Reich, gute Ordnung, Teutscher Nation zu Ehr, Nutz, Wohlfahrt, Auffnehmen und Gedeyen auffgericht, so haben Wir doch etliche Zeit her mit hoher Beschwerd Unsers Gemüths vernommen, wie über Unser Kayserlich zu Wormbs ausgangen Edict, der Zwyspalt Unsers Heil. Christlichen Glaubens, in Unserm Abwesen, in etwa viel schwärliche Sect ausgetheilt und eingewurtzelt, davon gemeiner Teutscher Nation nicht geringer Unrath und Abfall entstanden. [ . . . ] So haben Wir nach Auffrichtung etlicher Ordnung, dardurch die Unterthanen Unserer Hispanischen Königreich die Zeit Unsers Abwesens, in desto mehr Fried, Ruhe und Einigkeit leben möchten, aus sonderer Lieb und gnädiger Zuneigung, so Wir zu Teutscher Nation und dem Heil. Römischen Reich haben und tragen, Uns aus Unsern Hispanischen erblichen Königreichen erhaben, dieselbigen verlassen, und Anfangs in Italien gefügt, dieselbige Unser Italische Land (GOtt Lob) auch in [ . . . ] darauff alsbald einen gemeinen Reichs-Tag allher in Unser und des Heiligen Reichs Stadt Augspurg, den 8. Tag Aprilis nächst verruckt, ausgeschrieben und verkündiget, Gemüths, Willens und Meinung, allerley des Heiligen Reichs, gemeiner Christenheit; und Teutscher Nation Obliegend zu handeln, und sonderlich, wie der Irrung und Zwyspalts halben Unsers Heil. Glaubens; und Christliche Religion (als nicht der geringsten Beschwärungen eine) desto fruchtbarer gehandelt und beschlossen werden möchte, wie derselbig Zwytracht des Glaubens hinzulegen, Widerwill zu fürkommen, ergangene Irrsal Christo Unserm Seligmacher zu ergeben, und eines jeglichen Gutbedüncken und Meynung zwischen sich selbst, in Lieb und Gütigkeit zu hören, zu verstehen, und zu erwegen, die zu einer einigen Christlichen Wahrheit zu bringen und zu vergleichen, alles, so zu beyden Theilen nicht recht wäre ausgelegt oder gehandelt, abzuthun, durch Uns alle eine wahre Religion anzunehmen und zu halten [ . . . ].

§ 1. Demnach haben Wir, samt denselben Unsern Churfürsten, Fürsten, Prälaten, Graffen und Ständen, und der abwesenden Bottschafften, den Artikkel des Zwyspalts Unsers Heil. Christlichen Glaubens [ . . . ] für Hand genommen, und [ . . . ] einen jeglichen, der solch Zwyspalts des Glaubens halben etwas hat fürbringen wollen, gnädiglich zu hören erbotten. Darauff Unser und des Heil. Reichs Churfürsten, Fürsten und Städt, Johannes Hertzog zu Sachsen, Landgraff in Thüringen, Marggraff zu Meissen, des Heil. Römischen Reichs Ertz Marschalck und Churfürst. Georg Marggraff zu Brandenburg, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden Hertzog, Burggraff zu Nürnberg, und Fürst zu Rügen, Ernst und Franciscus Gebrüder, Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg, Philipps Landgraff zu Hessen, und Wolffgang Fürst zu Anhalt. Auch die Gesandten der Städt Nürnberg, Reutlingen, Kempten, Heylbrunn, Winßheim und Weissenburg im Nortgau, Uns ihre Bekantnuß und Meynung des Glaubens halben, in Schrifften verfast, fürbracht, welche Wir von ihnen gnädiglich auffgenommen, dieselben in Gegenwärtigkeit aller Churfürsten, Fürsten und Stände des Heil. Reichs, so allhie versammlet gewesen, öffentlich lesen (1). Und wiewol Wir nach gehabtem beständigem Rath treffenlicher Theologen und Schrifftgelehrten, aus vielen Nationen, solch ihr Bekantnus mit dem Heil. Evangelio und Heil. Schrifft mit gutem Grund widerlegen und ableynen lassen (2), so hat doch solches bey ihnen so viel nicht verfangen, daß sie sich mit Uns, Churfürsten, Fürsten, und andern gemeinen Ständen in allen Artickeln verglichen hätten. Darauff Wir nun, dem Heiligen Reich und Teutscher Nation zu Gutem und Wolfahrt, damit Fried und Einigkeit darinn erhalten möchten werden, aus Kayserl. Mildigkeit und sondern Gnaden, den obgemeldten Churfürsten, Fürsten und sechs Städten, folgenden gnädigen Abschied fürhalten, und denselben anzunehmen, gnädiglich begehren lassen: Nemlich, daß sie sich zwischen hie und dem nächstkünfftigen fünffzehenden Tag des Monats Aprilis bedencken solten, ob sie sich der unverglichenen Artickel halben mit der Christlichen Kirchen, Päbstlicher Heiligkeit, Uns und den andern Churfürsten, Fürsten, und gemeinen Ständen des H. Römischen Reichs, auch andern Christlichen Häuptern und Gliedern der gemeinen Christenheit, mitlerzeit der Erörterung eines nächstkünfftigen Conciliums nachmals bekennen und vereinigen wolten, oder nicht, und daß sie Uns ihres Gemüths unter ihren Insiegeln vor Ausgang obgemeldts fünffzehenden Tags verständigen, mittlerweil wolten Wir Uns darauff auch bedencken, was Uns zu thun gebühren wolle, und alsdann ihnen Unser Meynung eröffnen, mit etlichen fast zimlichen angehenckten Artickeln, weß sie sich mittler Zeit desselben Bedenckens halten sollen.



(1) Am 25. Juni 1530 wurde die Confessio Augustana vor dem Reichstag verlesen. [Alle Fußnoten stammen aus Ruth Kastner, Hg., Quellen zur Reformation 1517-1555. Darmstadt: WBG, 1994, S. 501-20.]
(2) Eine umfangreiche Widerlegung der Confessio Augustana, die Confutatio, war zunächst u. a. von Johann Eck, Johann Faber und Johann Cochläus verfaßt worden. Eine weniger scharfe Schrift, die Responsio, konnte schließlich am 3. August im Namen des Kaisers vor dem Reichstag verlesen werden.

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