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Territorialregierung durch die Fürsten mit den Ständen – Der Landtag in Kursachsen (2. Hälfte des 16. Jahrhdts.)

Dieser Text aus dem 16. Jahrhundert beschreibt das Prozedere des Einberufens und Abhaltens des Landtags in Kursachsen. Der Kurfürst, dessen Residenz damals in Dresden lag, herrschte über den Großteil Sachsens und einen beträchtlichen Teil Thüringens. In Sachsen wie in anderen Fürstentümern im östlichen und nordöstlichen Gebiet des Reichs war die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Zeit wachsender herrschaftlicher Privilegien und geschwächter Gemeindeeinrichtungen in Städten und Dörfern. Ebenso wie der Reichstag wurden Landtage gemäß bestimmter Gewohnheitsregeln abgehalten, deren Niederschrift die zeitgenössische Tendenz widerspiegelt, Regeln auf die Schriftform zu reduzieren. Dinge schriftlich festzuhalten bedeutete, dass die Wahrung der Regeln vom kollektiven Gedächtnis der Teilnehmer auf das fürstliche Regime als Bewahrer des Schriftguts übertragen wurde. Insofern veranschaulichen diese schriftlich festgehaltenen Regeln auch die allgemeine Entwicklung hin zu verbindlicher Dokumentation und dem Entstehen des Gesetzes aus der Kodifikation von Gewohnheitsregelungen.

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Verzeuchnus, wie und waser gestalt es mit anstellung eines landtages allenthalben gehalten wird. Nemblichen


[1] Der landesfurst entschleust sich eines gewißen tages und orts, wan und wo er solchen landtag halten will.

[2] Alsdan leßet er ein gemein schreiben mutatis mutandis gedruckt ausgehen, darinnen er alle seine landstände von prälaten, graven herren, der ritterschaft, städten und universiteten persönlich zu erscheinen erfordern thut. Solche ausschreiben schickt man in die ambter eines jeden kreißes, dodrinnen aus werden sie denihenigen, so schriftsassen seind, insinuiret und recognition derentwegen erfordert. Die ambtsassen aber werden in ein jedes ambt, darein sie gehörig, durch die ambtleute erfordert, ihnen dis furgehalten und exemplar deßelben zugestellet, damit also ein jeder sich darnach zu richten haben möge.

[3] Alsdan stellen sich die schriftsassen persönlich ein; die prälaten und eins theils graven, so erheblich verhindert werden, schicken ihre gesanten; als wohl die städte aus jeder stadt ungeferlich 2, 3, auch 4 personen nach gelegenheit einer jeden größe. Die ambtsassen aber schicken aus jedem ambt zwehne oder 3 vom adel mit vollmacht, laßen auch durch dieselben ihre beschwerung fürbringen.

[4] Mittler zeit nun und ehe der landtag herzukompt, leßet der landesfurst seine notturft und was er anzubringen hat in eine ordentliche schriftliche proposition faßen, darüber seine räthe nach notturft rath halten, und solches alles und jedes wohl erwegen, ihnen auch, wenn sie sich entlich entschlossen haben, solches furtragen. Und wen man deßen genzlich einig, auch nichts darbey mehr zu erinnern ist, wird solche proposition viermahl rein umbgeschrieben, aber nicht unterzeichnet noch gesiegelt.

[5] Angeseztes landtages leßet der landesfurst alle erforderte stende auf einen geraumen saal kommen; haben die prälaten die oberstelle, hernach die graven, herren, vom adel, ritterschaft und städte, einjeder seinem herkommen nach; vnd leßet ihnen der hofmarschalch den abend zuvorn durch die furirer sämptlich und sonderlich die stet und ort ankündigen.

[6] Wenn sie nun alle zur stelle sein, so kompt alsdan der landesfurst mit seinem hofgesind, räthen und dienern an solchen ort, und leßet ihnen ein kurz mündlich antragen durch derselben rath einen thuen. Als ungevehrlich: das er ihr gehorsamb erscheinen in gnaden vermerke; mit ferner vermeldung, was ihme zu solcher zusammen erforderung verursachet habe, referirt sich uf die schriftliche proposition und begehret, sie wolten solche, wie dieselbe vorlesen werden wird, anhören, mit vleiß erwegen, auch wan ihnen die zue handen gestellet, noththürftig davon consultiren, und wie treuen unterthanen zu thuen gebuehret, in guthem rath und williger that sich bezeigen. Wie den solches alles formblich, rund, kurz und mit kegenerbietung aller gnaden und gueten, dardurch die gemüther zue aller trew gereizet werden mögen, anzubringen ist.

[7] Darauf wird ferner die proposition offentlich durch den cammersecretarium abgelesen. Alsdan nimbt der landesfürst seinen abtritt hinwiederumb in sein zimmer; und wird nach beschehung deßen das eine exemplar den graven und herren, das andere den prälaten und stiften, das dritte der ritterschaft und das vierte den städten zugestellet.

[8] Folgends werden durch die landschaft ungevehr aus allen kreißen in den engen ausschus von den furnehmbsten der ritterschaft ezliche 20, auch 30 personen erwehlet; ingleichen dem großen ausschus, welchen der enge zu erwehlen hat, noch eins so viel, auch ehe mehr als weniger. Diese haben ihren rath und consultation unterschiedlich; wie dan die von den städten auch einen engen und weiten ausschuß kiesen thuen. Und sezet die in solchem engern ausschuß der Chur Sachßen erbmarschalch nach der ordnung, helt auch die umbfrage; und hat die baley Duringen das erste votum. Die im weiten ausschus aber sezen sich selbst nach gelegenheit der personen, und kieset gemeiniglich der kleine ausschus einen unter ihrem des großen ausschußes mittel, der das werk in solchem dirigiren thut.

[9] Es haben auch die prälaten, stifte und universiteten ihren abgesonderten, so wohl die graven und herren, welche persönlich anwesend seind, ihren sonderlichen rath, ingleichen die von der ritterschaft im engen und weiten ausschus den ihrigen sonderlich und unterschieden abgesondert; und dann die städte gleichsfals ihr zwene unterschiedene ausschüße und deliberation.

[10] Wann es nun zur consultation kömpt, so verlesen die von der ritterschaft im engen ausschus die proposition, laßen die umbfrage und vota geben; ingleichen ubergeben die städte nach verlesener proposition und darauf gehaltenen rath ihr schriftlich bedenken in den engen ausschus. Alsdan wird solches durch die darein verordente personen vorlesen, wol ponderiret, auch mit ihrem unter sich selbst gehaltenen rathsamen bedenken conferiret; darauf dan entschließen sie sich nach genugsamer deliberation einer gewißen meinung, wobey der sachen notthurft nach zue beruhen sein möge, ingleichem was uf die ubergebene proposition und angebrachtes suchen zu thuen, und wie der landesfürst zu beantworten sein will. Daßelbe, wen sie nun deßen einig, faßet der jhenige, so in diesem ausschuße das directorium helt, neben einem andern, so sie darzue erkiesen thuen, schriftlich; und wen es in gemeinem rathe des engen ausschußes abgelesen, auch richtig befunden, ubergeben sie dan solches dem großen ausschuße aus der ritterschaft, vornehmen auch darauf ihr bedenken; und wan solche ichtwas erhebliches darbey zu erinnern, so erwegen sie dis; da es wichtig, wird ihr rathschlag dardurch verbeßert.

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