GHDI logo


Friedrich Wilhelm von Steuben, Brief aus Neu Windsor (4. Juli 1779)

Der für den Militärdienst in Preußen ausgebildete Friedrich Wilhelm von Steuben (1730-94) zeichnete sich als General in der amerikanischen Revolutionsarmee aus. Seine Talente und die Anerkennung, die sie seitens George Washingtons fanden, ermöglichten seinen raschen Aufstieg in der Truppenhierarchie. Die Veröffentlichung seiner Briefe in Schlözers Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts unterstrich das Eintreten der Aufklärung für eine „den Talenten offen stehende Karriere.“ Sie lieferte zudem eine Gelegenheit für begeisterte Aussagen über die freiheitlichen Ideale der neuen amerikanischen Republik.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1


Brief aus Neu Windsor vom 4. Juli 1779


So sehr diese entscheidende Ehren Bezeugungen (durch General Washington) schmeichelhaft sind: so groß sind meine Verbindungen, mein Freund, um solche zu verdienen. So weit meine Seelen- und Leibes-Kräfte zureichen; wende ich solche ohne Unterlaß an, um das Verlangen einer Nation zu erfüllen, die mich mit solchem Vertrauen beehret. Keine Schwierigkeit, keine Mühe, keine Gefahr, soll und kann meinen Fortgang hindern. Mein Departement ist weitläufig: der achte Teil der Welt erwartet, daß meine Verfügungen ihm nützlich sein sollen. Sie sind es bishero, Gott sei Dank! und mit Freuden will ich für eine Nation sterben, die mich so mit ihrem Zutrauen beehrt. Alle meine Unternehmungen haben bisher den glücklichsten Fortgang; und ich kann sagen, daß mit jedem Tage sich das Zutrauen vermehret, so die Armee in mich gesetzt hat. Bei der Schlacht von Monmouth letztern Jahrs, kommandierte ich den linken Flügel des ersten Treffens, und war so glücklich, die Entscheidung dieses Tags zu unserm Vorteil zu bringen. Und in allen kleinen Vorfällen, sowohl in letzterer als in dieser Campagne, bin ich so glücklich gewesen, daß jeder Soldat wünschet, unter meiner Anführung zu sein. Letztern Winter verfertigte ich die Ordinanz für die Infanterie und Kavallerie: sie wurde sogleich gedruckt und publiciert.

[ . . . ]

Nunmehro bin ich in meiner Tour, um alle Regimenter die Musterung zu passieren, und das System einzuführen, welches in meiner Ordinanz festgesetzt ist. Alles gehet mir hier glücklich von statten. Mein Freund, ich bin nunmehro der fünfte General im Rang: und wenn ein Fieber, oder 1 Lot Blei, meinen Lauf nicht unterbricht; so sind die Grenzen weitläuftig genug, um einen Ehrgeizigen zu befriedigen. Zwei bis drei Jahre Mühe: und dann, mein Freund, müssen Sie mir versprechen, mich in Paris zu besuchen; und da wollen wir abreden, ob Sie mit mir in Europa, oder in Amerika, zu Mittag speisen wollen. – O mein teuerster Fr… warum habe ich meine Jahre so verschleudert! Zwei Jahre Arbeit – wenn wir Arbeit und Gefahr nicht scheuen – können einen Mann weit bringen! Die Erfahrung überzeugt mich, und ich kann mir meine Trägheit nicht vergeben.

Welch ein schönes, welch ein glückliches Land ist dieses! Ohne Könige, ohne Hohepriester, ohne aussaugende Generalpächter, und ohne müßige Baronen. Hier ist jedermann glücklich. Armut ist ein unbekanntes Übel. Ich würde zu weitläuftig werden, wenn ich Ihnen meine Beschreibung von der Glückseligkeit dieser Einwohner machen wollte.

[ . . . ]



Quelle: „Brief aus Neu Windsor vom 4. Juli 1779,“ in August Ludwig, Schlözers Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts. Göttingen: Vandenhoek, 1780, S. 331-33.

Abgedruckt in Jost Hermand, Hg., Von deutscher Republik 1775-1795. Texte radikaler Demokraten. © Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1968, S. 40-41.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite