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Verwaltungshilfe (17. Juni 1994)

Der Autor, der im Innenministerium tätig ist, zieht eine positive Bilanz der personellen Verwaltungshilfe für die neuen Bundesländer durch westdeutsche Beamte, verschweigt aber auch nicht deren Probleme. Einerseits haben Beamte aus dem Westen den Verwaltungsumbau beschleunigt, aber der Einsatz von Führungskräften aus dem Westen und der Personalabbau im Osten brachte auch Ressentiments zutage.

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Verwaltungsaufbau in Ostdeutschland hat geklappt /
Patenschaften als Hilfe zur raschen Selbsthilfe


Wenn im Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands gefällte Entscheidungen aus der Sicht des Jahres 1994 kritisch bewertet werden, so rechtfertigt das nicht den Schluß, es sei damals falsch entschieden worden. Dies gilt auch für die Entscheidung, den neuen Bundesländern durch Entsendung von West-Personal massiv beim Verwaltungsaufbau zu helfen. Zugegeben: es hat Fälle gegeben wie den von einer westdeutschen Kommune entliehenen Amtsleiter, dessen vordringliches Streben die rasche Beschaffung einer preiswerten Immobilie zu sein schien; oder der aus Bonn eingeflogenen Referentin, die auf dem Absatz kehrt machte, als sie ihr ostdeutsch bescheidenes Amtszimmer inspiziert hatte.

Sie waren zum Glück Ausnahmeerscheinungen und konnten die Nützlichkeit der Hilfe aus dem Westen nicht in Frage stellen, auch wenn heute, am Ende der ersten Aufbauphase, schon einmal der Ruf ertönt: „Wessis raus“. Allerdings merkt ein – westdeutscher – Abteilungsleiter kritisch an, man habe gelegentlich in den Leitungsfunktionen zu wenig „Ossis“ gesehen. Für ihn hatte das auch negative Folgen: „Der Drang der Westbeamten nach Perfektionismus hat bisweilen den Aufbau gebremst; es wurde zu viel und zu detailliert geregelt. Die übernommenen Ostbeamten haben juristisch nicht so perfekt entschieden, aber ihr Laden lief.“


Aufbau einer neuen Selbstverwaltung

Trotzdem stellt er die Notwendigkeit und Nützlichkeit der West-Hilfe ebensowenig in Frage wie sein – ostdeutscher – Amtsleiter, der feststellt: „Ohne die Hilfe aus Westdeutschland hätten wir es nicht so rasch geschafft.“ Angesichts der fast einmütigen Option nach dem Fall der Mauer für das Rechts- und Verfassungssystem des Westens gab es damals gar keine andere Wahl: die Spitzenfunktionäre in Politik und Verwaltung der untergegangenen DDR, die Träger des gescheiterten kommunistischen Systems konnten in einer rechtsstaatlichen Ordnung keinen Platz haben.

Mit den Beschlüssen der Volkskammer vom 17. Mai 1990 zur Wiedereinführung der kommunalen Selbstverwaltung und vom 22. Juli 1990 zur Neugründung der 1952 untergegangenen Länder war die Verwaltung der 7 753 ostdeutschen Städte und Gemeinden, der 179 Landkreise umzubauen, die Verwaltung auf der staatlichen Ebene – Landesregierungen, Mittelbehörden und staatliche Ämter – mußte völlig neu aufgebaut werden. Wollte man in Ostdeutschland den Anschluß an die deutsche Verwaltungstradition schaffen, so war das ohne Anleitung durch westdeutsche Verwaltungsbeamte, vor allem Juristen, nicht vorstellbar. Heißt das, daß die Ostdeutschen die Verlierer in diesem Geschäft waren? Nein, das ist ein Vorurteil und die Zahlen sprechen dagegen: 1992 waren auf allen Ebenen der Verwaltung in den neuen Ländern fast 1,7 Millionen Menschen tätig. Von diesen waren aus dem Westen 35 000 Mitarbeiter, davon 15 000 in Bundes-, und jeweils 10 000 in Landes- und Kommunalverwaltungen, abgeordnet oder versetzt.

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