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Vollmacht zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung in der Trizone (1. Juli 1948)

Seit Februar 1948 verhandeln die Westalliierten in London über die politische und wirtschaftliche Zukunft Deutschlands sowie über den immer noch ungeklärten zukünftigen Status des Ruhrgebiets. Die Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion nehmen ständig zu und führen im März 1948 zum Zusammenbruch des Kontrollrates in Berlin. Die Währungsreform in den Westzonen und die sowjetische Berlin-Blockade im Juni 1948 verschärften die Lage weiter. In dieser Situation setzen die Amerikaner und Engländer sich dafür ein, einen westdeutschen Teilstaat mit weitgehender Souveränität zu errichten und überwinden schließlich auch den Widerstand der Franzosen gegen ihre Position. Die Dokumente, die den westdeutschen Ministerpräsidenten der Länder am 1. Juli 1948 in Frankfurt übergeben werden, basieren auf den Londoner Beschlüssen vom 7. Juni. Im ersten Dokument wird die baldige Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung gefordert. Die auszuarbeitende Verfassung unterliegt der Ratifizierung der Militärgouverneure. Das zweite Dokument beschäftigt sich mit den zukünftigen Ländergrenzen, während das dritte die Frage des Besatzungsstatuts behandelt. Zugleich behalten die Alliierten sich eine Reihe von Kontrollrechten u.a. im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik auch für die Zeit nach der Staatsgründung vor.

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Die Londoner Dokumente: Direktiven zur zukünftigen politischen Organisation Deutschlands, ausgearbeitet auf der Londoner Konferenz der westlichen Außenminister im Juni 1948; den Ministerpräsidenten in den Westzonen am 1. Juli 1948 von den Militärgouverneuren bei ihrer Besprechung übergeben.


Dokument Nr. I

In Übereinstimmung mit den Beschlüssen ihrer Regierungen autorisieren die Militärgouverneure der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone in Deutschland die Ministerpräsidenten der Länder ihrer Zonen, eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen, die spätestens am 1. September 1948 zusammentreten sollte.

Die Abgeordneten zu dieser Versammlung werden in jedem der bestehenden Länder nach den Verfahren und Richtlinien ausgewählt, die durch die gesetzgebende Körperschaft in jedem dieser Länder angenommen werden. Die Gesamtzahl der Abgeordneten zur Verfassunggebenden Versammlung wird bestimmt, indem die Gesamtzahl der Bevölkerung nach der letzten Volkszählung durch 750 000 oder eine ähnliche von den Ministerpräsidenten vorgeschlagene und von den Militärgouverneuren gebilligte Zahl geteilt wird. Die Anzahl der Abgeordneten von jedem Land wird im gleichen Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung stehen wie seine Bevölkerung zur Gesamtbevölkerung der beteiligten Länder.

Die Verfassunggebende Versammlung wird eine demokratische Verfassung ausarbeiten, die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs schafft, die am besten geeignet ist, die gegenwärtig zerrissene deutsche Einheit schließlich wieder herzustellen und die Rechte der beteiligten Länder schützt, eine angemessene Zentralinstanz schafft und Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält.

Wenn die Verfassung in der von der Verfassunggebenden Versammlung ausgearbeiteten Form mit diesen allgemeinen Grundsätzen nicht im Widerspruch steht, werden die Militärgouverneure ihre Vorlage zur Ratifizierung genehmigen. Die Verfassunggebende Versammlung wird daraufhin aufgelöst. Die Ratifizierung in jedem beteiligten Land erfolgt durch ein Referendum, das eine einfache Mehrheit der Abstimmenden in jedem Land erfordert, nach von jedem Land jeweils anzunehmenden Regeln und Verfahren. Sobald die Verfassung von zwei Dritteln der Länder ratifiziert ist, tritt sie in Kraft und ist für alle Länder bindend. Jede Abänderung der Verfassung muß künftig von einer gleichen Mehrheit der Länder ratifiziert werden. Innerhalb von dreißig Tagen nach Inkrafttreten der Verfassung sollen die darin vorgesehenen Einrichtungen geschaffen sein.

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