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Bundeskanzler Kohl rechtfertigt die Einrichtung eines Deutschen Historischen Museums als Beitrag zur nationalen Einheit (28. Oktober 1987)

Anlässlich des 750-jährigen Stadtjubiläums von Berlin kündigt Bundeskanzler Kohl die Einrichtung eines Deutschen Historischen Museums im Westteil der Stadt an, als Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit der Deutschen und als Symbol für die Hoffnung auf Wiederherstellung der politischen Einheit.

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Berlin bleibt Brennpunkt der Deutschen Frage


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Berlin begeht heute seinen 750. Geburtstag: Heute vor 750 Jahren wurde die Stadt zum ersten Male in einem Schriftstück erwähnt. Zu diesem Jubiläum möchte ich allen Berlinern ganz herzlich gratulieren: im Namen der Bundesregierung und auch im Namen aller Bürger unserer Republik.

Wir haben uns hier versammelt, um die Gründung des Deutschen Historischen Museums zu besiegeln. Dieses Museum ist ein Geburtstagsgeschenk des Bundes an Berlin. [ . . . ] Kaum ein anderer Ort ist so eng mit unserer deutschen Geschichte verwoben und eignet sich so gut als Sitz dieses Museums wie die alte Hauptstadt der Deutschen. In ihrem Schicksal in Vergangenheit und Gegenwart spiegelt sich unsere Geschichte. [ . . . ]

Als wir das Projekt des Deutschen Historischen Museums vorbereiteten, waren wir uns darüber im klaren, daß wir vor einer außergewöhnlichen Aufgabe standen. Ich selbst habe wiederholt hervorgehoben, daß es sich um eine nationale Aufgabe von europäischem Rang handelt. Die Errichtung des Museums ist ein notwendiges politisches und kulturelles Vorhaben – von Bedeutung für unsere geteilte Nation und darüber hinaus auch für unsere Nachbarn. [ . . . ]

Viele Menschen haben in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, daß eine klare Standortbestimmung in der Gegenwart nur möglich ist, wenn wir uns bewußt machen, in welcher Kontinuität wir stehen. Viele spüren, daß die im Namen vermeintlicher Aufklärung und besserer Kritikfähigkeit durchgesetzte Verdrängung des Geschichtsunterrichts genau das Gegenteil wahrer Aufklärung bewirkt hat. Gerade junge Menschen machen die Erfahrung, daß der Entzug des Wissens über die Vergangenheit Wege zur persönlichen und sozialen Mündigkeit versperrt. Sie merken, daß Geschichtslosigkeit die Menschen heimatlos und wurzellos macht, sie ohne Rückhalt dem jeweiligen Zeitgeist ausliefert.

Für uns Deutsche stellt sich die Frage nach unserer Geschichte in besonderer Weise: die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die unermeßliches Leid über die Menschen anderer Völker und unseres eigenen Volkes brachte, dürfen wir nie verdrängen. Sie mahnen uns, Lehren zu ziehen. Dies setzt einen verantwortungsbewußten Umgang mit der Geschichte voraus. Auch die Zeit des Nationalsozialismus wird nach der Konzeption für das Deutsche Historische Museum als ein wesentlicher Teil unserer Geschichte dargestellt werden und breiten Raum in dem Museum einnehmen.

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