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Lebensstil und Ausgaben einer Beamtenfamilie in Berlin (1889)

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Die Vergnügungen der Familie sind so einfach wie nur denkbar. Aber was sie würzt, ist die Frohlaune der Hausfrau, einer heitern Rheinländerin, die einen Gutteil der Frohnatur auf die Kinder vererbt hat. An schönen Tagen macht man Spaziergänge, im Sommer drei bis vier Ausflüge in die Umgebung, zuweilen geht es nach dem Zoologischen Garten, nach dem Konzerthaus oder, sehr selten, in ein Theater. Abends wird oft nach dem Abendbrot vorgelesen. Der Verkehr mit sehr befreundeten Häusern bürdet keine großen Ausgaben auf, und eine „Gesellschaft“ wird nur einmal jährlich gegeben – eine der bekannten „Abfütterungen“, deren Glanzpunkt jener Augenblick bildet, wo der letzte Gast von dem Mädchen für alles über die Treppen hinabgeleitet wird.

Die Kleider werden mit seltenen Ausnahmen stets zuhause gemacht, nur Mäntel oder Jacken fertig gekauft. Die meiste Kunst erfordert es, die Gewänder der Knaben in Ordnung zu halten. Da vererbt sich stets, wenn es geht, Vaters Rock und Beinkleid auf den Ältesten und zuweilen noch von diesem auf den Jüngsten. [ . . . ]

Von einem bezahlten Sommeraufenthalt könnte keine Rede sein. Aber eine Verwandte des Hausherrn besitzt ein kleines Stadtgut in Schlesien. Dorthin gehen jährlich auf einige Wochen Vater und Tochter, oder Mutter und Söhne. Die alte Dame sendet auch zu Festzeiten kleine Beträge für die Mitglieder der Familie, der sie herzlich zugethan ist, oder bereichert die Speisekammer mit angenehmer Zubuße von Obst, Geflügel oder Würsten.

Das Wirtshaus spielt im Leben des Hausherrn fast gar keine Rolle. Nur einmal wöchentlich geht er in einen Verein von Standesgenossen, der ernstere Ziele, als nur die Befriedigung des Durstes verfolgt. Das Rauchen hat er sich aus Sparsamkeit fast ganz abgewöhnt. Diese Thatsachen erklären auch, wurum der Betrag, den er für sich ausgesetzt hat, so klein ist und doch manchen Monat nicht einmal zur Hälfte verbraucht wird.

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