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Warum die große Koalition funktionierte (28. Dezember 2009)

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Nach vier Jahren großer Koalition trauten auch sozialdemokratische Wähler Frau Merkel zu, eine sozialliberale Koalition mit der FDP zu führen. Insofern ist dies auch die politische Konstante zu der Nachfolgeregierung der Großen Koalition von 1966 bis 1969.

Diese Strategie ist Teil der politischen Weisheit der Kanzlerin, die sich selbst zu einer Art Personalisierung der großen Koalition stilisieren konnte: mit einem sozialdemokratischen Herz und einem wirtschaftsfreundlichen Verstand.

Dies ist keineswegs schlecht- beziehungsweise kleinzureden. Der Erfolg der Bundesrepublik nach dem Nazi-Terror und nach der friedlichen Revolution von 1989 verdankt sich auch einem parteiübergreifenden Respekt den jeweiligen Vorgängerregierungen gegenüber. Nach einem Jahrhundert, in dem die innere Unruhe und der Mangel an Mäßigung das Land zu einem Quell von Kriegen und Barbarei werden ließen, scheint die demokratische Domestizierung bis tief in das mentale Fundament der Gesellschaft eingedrungen zu sein.

In der großen Koalition reift das Wissen um jene Lehre, welche das Land und seine politische Kultur aus den Erfahrungen mit den Extremen gezogen hat.

Der relativ vermurkste Start der vermeintlichen Liebesheirat von Union und FDP lässt die große Koalition etwas gelungener erscheinen. Unvergessen die Harmonie zwischen Steinmeier und Merkel auch während des Kanzlerduells. „Nein, wir duzen uns nicht“, beschwichtigte der sympathische Kanzlerkandidat auf die Frage nach dem Verhältnis zu seiner Chefin.

Peer Steinbrück war derart begeistert von der Zusammenarbeit, dass er sich eine Fortsetzung der Koalition wünschte, bis ihn die Partei zurückpfiff. Schnell wird sie wohl nicht mehr kommen, weil die SPD längst keine wirklich große Partei mehr ist und weil viel im Bund darauf hindeutet, dass es – wenn es für FDP und Union nicht reichen sollte – zum ersten Mal ein Dreierbündnis angestrebt werden könnte.

Ein Vorbote davon ist die überraschende Jamaikakoalition im Saarland – und in Nordrhein-Westfalen bereitet sich die SPD auf rot-rot-grüne Zusammenarbeit vor. Das Tabu, für das in Hessen Frau Ypsilanti noch bestraft wurde, ist gefallen.



Quelle: Ulf Poschardt, „Abschied von der heimlichen Liebe große Koalition“, Die Welt, 28. Dezember 2009.

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