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Wahlaufruf für Wilhelm Liebknecht (30. August 1888)

Dieses Wahlprogramm verlangt von den Anhängern des führenden sozialdemokratischen Politikers Wilhelm Liebknecht (1826-1900), „Auf die Schanzen!“ zu gehen. Zu dieser Zeit war Liebknecht der Kandidat der SPD in einer Nachwahl zum Reichstag in Berlin am 30. August 1888. Sein Wohnort wird mit Borsdorf angegeben, einem Dorf außerhalb Leipzigs, weil er 1881 im Rahmen der Klausel zum „kleinen Belagerungszustand“ im Sozialistengesetz aus Leipzig ausgewiesen worden war. Liebknecht hatte zuvor einen Reichstagswahlkreis in Sachsen (1867-1871 sowie 1874-1881) und einen weiteren in Hessen-Nassau (1881-1887) vertreten. Während der Legislaturperiode 1887-1890 hatte Bismarcks „Kartell“ rechtsgerichteter Parteien im Reichstag eine knappe Mehrheit. Wie dieses Wahlprogramm zeigt, zielte Liebknecht in seinem Bestreben nach Wiederwahl auf viele Gegner und Regierungsmaßnahmen ab, darunter die konservativen und linksliberalen Parteien, die Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie, die Besteuerung von Verbrauchsgütern und das ungerechte Wahlrecht auf bundesstaatlicher und kommunaler Ebene. Zu den positiven Programmpunkten zählten der Schutz für arbeitstätige Frauen und Jugendliche, die Forderung nach Koalitions-, Rede-, und Pressefreiheit, kostenfreie allgemeine Schulpflicht und ein „Normalarbeitstag“ (während das beabsichtige Arbeiterschutzgesetz der Sozialdemokraten vom Januar 1885 vom Staat die Einführung des Zehnstundenstages verlangt hatte, forderte das Erfurter Programm von 1891 einen Achtstundentag). Nachdem er das Berliner Mandat im August 1888 errungen hatte, vertrat Liebknecht den Wahlkreis bis zu seinem Tod am 7. August 1900. (Er saß zudem 1879-1885 und 1889-1892 für die SPD im sächsischen Abgeordnetenhaus.) Liebknechts Wahlkampf im Sommer 1888 fand unter schwierigen Bedingungen statt. Während das Sozialistengesetz im Zuge der „milderen Praxis“ Mitte der 1880er Jahre etwas lockerer angewandt wurde, schraubten die Behörden die Sozialistenverfolgung faktisch weiter hoch, bis das Ausnahmegesetz am 30. September 1890 schließlich ablief.

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Wahlaufruf für Wilhelm Liebknecht (30. August 1888)

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