GHDI logo


Erich Ludendorff contra Theobald von Bethmann Hollweg (Juli 1917)

Als Reichskanzler war Theobald von Bethmann Hollweg (1856-1921) im Allgemeinen eine mäßigende Stimme, besonders, nachdem Paul von Hindenburg (1847-1936) und Erich Ludendorff (1865-1937) im Sommer 1916 Erich von Falkenhayn im Oberbefehl des Heeres abgelöst hatten. Bethmann Hollwegs Hoffnungen auf Woodrow Wilsons Vermittlung Ende 1916 blieben unerfüllt, und gegen die Einwände des Kanzlers setzten Hindenburg und Ludendorff die Aufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges im März 1917 durch. Bethmann Hollweg blieb bis Juli im Amt, als die Verabschiedung der berühmten „Friedensresolution“ seine Amtsniederlegung und Ablösung durch Georg Michaelis (1857-1936) erzwang. Aus diesem Dokument geht hervor, wie Ludendorff zum erzwungenen Rücktritt Bethmanns beitrug, indem er sich direkt an den Kaiser wandte.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1


Großes Hauptquartier, 6. – 12. 1917

[ . . . ] Am Morgen des 6. Juli hatte der geschäftige Centrumsabgeordnete Erzberger, ein für meinen Geschmack geradezu widerliches Parteiprodukt, das aber nicht nur durch die beschränktesten seiner politischen Gesinnungsgenossen, sondern durch die Regierung selbst zu einer Großstellung herangezogen war, im Reichstag (Haupt-Ausschuß) eine Rede gehalten, die an feigem Abfall von jeder kriegerischen Energie nicht mehr zu übertreffen war. Er legte eine Resolution zu Gunsten eines Friedens “ohne Eroberungen etc.” vor. Die Nachricht davon gelangte sofort in die Hände des General[s] Ludendorff. Ich war eben zum Vortrag bei diesem als Oberstleutnant Bauer, jedenfalls von einem Parlamentarier unterrichtet, hereinstürzte. “Nun ist es aber höchste Zeit, daß der Kanzler verschwindet” waren seine Schlußworte.

Im Zuge nach Berlin war frisch fröhliche Kampfstimmung. Der Feldzugsplan stand fest. Der Kanzler muß weg und General Ludendorff halt im Reichstag eine fulminate Rede, in der er den “ganzen Unsinn, ja das Verbrecherische dieser parlamentarischen Weichheit darlegen würde”. [ . . . ]

Die Dinge in Berlin liefen aber ganz anders als wir es angenommen hatten. Der [ . . . ] Kaiser fuhr zunächst zu Bethmann Hollweg, ließ sich hier unterrichten und fertigte dann beide hohen Generale bei ihrem Erschienen vor ihm kurz ab, so daß wir noch am Abend des 7. Juli mit hängenden Ohren nach Kreuznach zurückfuhren. [ . . . ]

Der Generalfeldmarschall war tief verstimmt. Ihm war die ganze Geschichte natürlich ein Greul gewesen, dagegen war die Erbitterung Ludendorffs gegen den Reichskanzler nur noch gesteigert.

War hatten also auf Befehl des Kriegsherrn in Kreuznach zu bleiben. Die Aufregung blieb dort groß. Es konnte unmöglich so bleiben. [ . . . ]

General Ludendorff spielte den letzten Trumpf gegen den Reichskanzler aus. Er reichte ein Gesuch um Enthebung von seiner Kriegsstelle ein, und – Hindenburg schloß sich ihm an. Ob schweren oder leichten Herzens spielt da keine Rolle. Es geschah. Der Kaiser erhielt hierüber telefonisch Nachricht aus Kreuznach (12. Juli), er rief die beiden Generale im höchsten Zorne herbei, sah sich aber dann doch veranlaßt den Vorstellungen Bethmann Hollwegs nachzugeben, die darauf hinausgingen: “Ich kann unmöglich bleiben, wenn die Generale gehen.” [ . . . ]



Quelle: Hermann Mertz von Quirnheim, Erinnerungen, abgedruckt in Wilhelm Deist, Hg., Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914-1918. 2 Bände. Düsseldorf: Droste, 1970, Bd. 2, S. 791-92.

Auch abgedruckt in Wolfdieter Bihl, Hg., Deutsche Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991, S. 294-95.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite