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Ein Bildungswissenschaftler zum Reformprozess an ostdeutschen Universitäten (1999)

In seiner detaillierten Untersuchung anhand zweier Fallstudien, der Universität Leipzig und der Humboldt-Universität zu Berlin, beleuchtet der ostdeutsche Bildungswissenschaftler Peer Pasternack die Problematik des Reformprozesses an ostdeutschen Universitäten nach der Wende.

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4. Conclusio

Wir hatten eingangs dieser Untersuchung einen Implementationskonflikt um die Zieldefinitionen und Modalitäten des ostdeutschen Hochschulumbaus und, nach dessen Abschluß, einen Interpretationskonflikt um die Bewertung des Prozesses wie die Einschätzung seiner Ergebnisse konstatiert. Die gegeneinander stehenden Interpretationen des Prozesses und seiner Ergebnisse hatten wir symbolisch in der Differenz zweier wesentlicher Deutungsachsen festgehalten: Behauptet worden ist auf der einen Seite eine „Erfolgsstory” (Rüttgers), auf der anderen eine „Wissenschaftskatastrophe” (E. Richter). Daran war unsere Frage geknüpft, ob der Interpretationskonflikt allein an die Ergebnisse des Prozesses gekoppelt oder aber bereits im erwähnten Implementationskonflikt angelegt gewesen sei.

Abseits einer Bewertung der materiellen Ergebnisse des Umbaus – also der Frage, inwieweit es sich dabei um eine Erneuerung gehandelt habe – gingen und gehen die Meinungen von Akteuren und Beobachtern vor allem bezüglich seiner politischen Gestaltung gravierend auseinander.

Zunächst war, was Habermas (1991, 63) unter Bezugnahme auf die ostdeutsche Systemtransformation eine „Gründung von oben” genannte hatte, auch für den Hochschulumbau zu konstatieren. Die „Stunde der Exekutive”, in der sich die „Gründung von oben” vornehmlich ausgedrückt habe, war für die Hochschulen in drei Stufen zu erkennen:

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Akademische Freiheit als „Freiheit des akademischen Individuums, in Forschung und Lehre der Wahrheit, wohin sie auch immer führen mag, zu folgen, ohne bei etwaigen Verletzungen politischer, religiöser oder sozialer Konventionen Sanktionierung oder Arbeitsplatzverlust befürchten zu müssen” (Goedegebuure et al. 1993, 17f.), war nicht gesichert, da sämtliche Personalstellenbesetzungen zur Disposition und in deren Vorbereitung u.a. die Integritätsüberprüfungen ins Haus standen.

Inhaltliche Autonomie als „die Möglichkeit der Institution Hochschule als Ganzes, die Ziele und Programme (das ‚Was’ von Lehre und Forschung) selbst zu bestimmen”, wie ebenso die prozedurale Autonomie als „die Möglichkeit der Institution Hochschule, die Mittel zur Realisierung der Ziele und Programme (das ‚Wie’ von Lehre und Forschung) selbst zu bestimmen” (ebd., 18), fanden sich signifikant eingeschränkt: einesteils durch die diversen Evaluierungsprozesse und die nachfolgenden Hochschulstrukturentscheidungen, andernteils verschärft durch den daher bedingten andauernden Übergangscharakter der Situation. In den Evaluierungsprozessen spielten Kompatibilitätserwägungen bezüglich des westdeutschen Hochschulsystems eine beherrschende Rolle. Bei den Strukturentscheidungen gab es eine starke Dominanz der staatlichen Exekutive, die zugleich deutlich behindert war durch die knappen Haushaltsmittel. Die prozedurale Autonomie fand sich schließlich auch dergestalt beschnitten, daß eine Reihe von genuinen Selbstverwaltungsaufgaben durch – neben den Ministerien – weitere substituierende Strukturen wahrgenommen wurde: durch Landeshochschulkommissionen, fremdeingesetzte Gründungsdekane und -kommissionen und dgl. (Vgl. Teichler 1994; Mayntz 1994b)

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