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Die CDU verabschiedet ein neoliberales Programm (23. Februar 1994)

Als Reaktion auf den Stimmungswandel unter den Eliten stellte die Christlich-Demokratische Union bei ihrem Hamburger Parteitag ein neues Parteiprogramm vor, das sich neoliberalen Ideen öffnete und das rhetorische Gewicht der sozialen Marktwirtschaft von Solidarität auf Wettbewerbsdenken verschob.

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Grundsatzprogramm der CDU Deutschlands: „Freiheit in Verantwortung”


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KAPITEL III

FÜR EINE ÖKOLOGISCHE UND SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT

1. PRINZIPIEN DER ÖKOLOGISCHEN UND SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT

67. Die Ökologische und Soziale Marktwirtschaft ist ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Programm für alle. Sie hat ihr geistiges Fundament in der zum christlichen Verständnis des Menschen gehörenden Idee der verantworteten Freiheit und steht im Gegensatz zu sozialistischer Planwirtschaft und unkontrollierten Wirtschaftsformen liberalistischer Prägung. Wir treten für die Ökologische und Soziale Marktwirtschaft ein, weil sie wie keine andere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unsere Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit verwirklicht. Ihre Grundlagen sind Leistung und soziale Gerechtigkeit, Wettbewerb und Solidarität, Eigenverantwortung und soziale Sicherung. Sie verbindet den Leistungswillen des einzelnen mit dem sozialen Ausgleich in unserer Gesellschaft und schafft im Rahmen ihrer ökologischen Ordnung die Voraussetzungen für die Bewahrung der Schöpfung.

Wir vertrauen auf die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen, sich in Freiheit und Verantwortung zu entfalten. Wir wissen, dass der Mensch seine Fähigkeiten missbrauchen und ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Belange wirtschaften kann. Deshalb muss unser Staat Rahmenbedingungen setzen, um die Kräfte der Selbstregulierung in der Wirtschaft zu stärken und alle am Wirtschaftsleben Beteiligten auf die Beachtung sozialer und ökologischer Erfordernisse zu verpflichten. Dabei sind die Prinzipien des Wettbewerbs und der sozialen sowie ökologischen Ordnung miteinander verbunden und bedingen sich wechselseitig. Wir wollen die Ökologische und Soziale Marktwirtschaft so fortentwickeln, dass die persönliche Initiative gestärkt, immer mehr Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt verwirklicht und die Umwelt wirksam geschützt wird.

Markt und Wettbewerb

68. Markt und Wettbewerb sind zentrale Elemente unserer Wirtschaftsordnung und ermöglichen Freiheit durch Dezentralisation von Macht. Der freiheitlichen Demokratie entspricht der Markt als Organisationsform der Wirtschaft. Wettbewerb fördert den Leistungswillen des einzelnen und dient damit zugleich dem Wohl des Ganzen. Markt und Wettbewerb ermöglichen eine effiziente und preisgünstige Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, sorgen für eine auf die Wünsche der Konsumenten ausgerichtete Produktion, fördern Innovationen und zwingen zur ständigen Rationalisierung. Mehr Staat und weniger Markt führen demgegenüber vielfach zur Verminderung der Leistungsbereitschaft der Leistungsfähigen und damit zu weniger Wohlfahrt und weniger Freiheit für alle. Allerdings kann der Markt nicht allein aus sich soziale Gerechtigkeit bewirken. Die Leistungsgerechtigkeit des Marktes ist nicht identisch mit der sozialen Gerechtigkeit. Die Ökologische und Soziale Marktwirtschaft fügt deshalb Marktordnung und Ordnung der sozialen Leistungen zu einem ordnungspolitischen Ganzen zusammen. Dabei muss der Grundsatz gelten: Soviel Markt wie möglich, um Eigeninitiative, Leistungsbereitschaft und Selbstverantwortung des einzelnen zu stärken, und soviel Staat wie nötig, um Wettbewerb und die soziale und ökologische Ordnung des Marktes zu gewährleisten.

Zu einer freiheitlichen und sozialen Wirtschaftsordnung gehört das sozial verpflichtete Privateigentum. Privateigentum an Produktionsmitteln ist Bedingung für die wirtschaftliche und sorgsame Nutzung knapper Güter sowie für die Leistungsfähigkeit und Produktivität der Wirtschaft. Die Vertrags-, Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit sowie die Freiheit der Berufswahl sind ebenso grundlegende Voraussetzungen für freie wirtschaftliche Betätigung wie die Chance des Gewinns und das Risiko des Verlustes.

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