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Ein langweiliger Wahlkampf? (9. September 2009)

Im Superwahljahr 2009 standen neben den Wahlen zum Europäischen Parlament sechs Landtagswahlen, acht Kommunalwahlen und eine Bundespräsidentenwahl (durchgeführt durch eine Bundesversammlung) sowie die Wahl zum Deutschen Bundestag auf der Tagesordnung. Die Leiterin des Instituts für Demoskopie in Allensbach erklärt, wie sich die Bundestagswahl 2009 von ihren Vorgängern unterscheidet.

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Allensbach-Analyse: Wahlkampf ohne Leidenschaft

Es fehlt das Streitthema, es fehlt das schicksalhafte Moment, es fehlt die Konfrontation unversöhnlicher Gegner, es fehlt der aufwühlende Zukunftsentwurf. Auch die Mehrheit der Bürger empfindet den Wahlkampf als ausgesprochen ruhig.



Selten wurde ein Wahlkampf derart kritisch kommentiert wie dieser. Langweilig, inhaltsarm, konfliktscheu und leidenschaftslos, so lauten die am häufigsten geäußerten Vorwürfe. Ein Gefühl der Kränkung scheint in vielen Kommentaren mitzuschwingen, so als blieben die Parteien ohne Not und völlig unverständlich Medien und Bürgern die Spannung schuldig, die doch jedem Machtkampf wie naturgegeben innewohnen müsste.

Auch die Mehrheit der Bürger empfindet den Wahlkampf als ausgesprochen ruhig, nur 14 Prozent nehmen ihn als harte Auseinandersetzung wahr. 49 Prozent der Bevölkerung empfinden den Wahlkampf als langweilig und inhaltsleer. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2002, als dieser Vorwurf ebenfalls im Raum stand, hielten ihn nur 37 Prozent für berechtigt, 38 für unberechtigt.


„Im Schlafwagen an die Macht“

Spannung und das Gefühl des Gefordertseins lassen sich bei Wahlen im Allgemeinen nicht von Wahlkampfkommissionen, Spin-Doctors und Werbeagenturen synthetisch herstellen. Wahlkämpfe setzen auf die besondere politische, ökonomische und gesellschaftliche Ausgangslage auf, die bei jeder Wahl neu und sehr unterschiedlich spannungsgeladen ist. 1998 erwuchs Spannung aus der Erwartung eines Regierungswechsels nach 16 Jahre dauernder CDU-Herrschaft zu einer neuen politischen Konstellation, die schon durch die Etikettierung als „rot-grünes Experiment“ die Aura von Abenteuer ausstrahlte; gleichzeitig adressierte die Schlüsselformel des damaligen Wahlkampfes der SPD, die „Gerechtigkeitslücke“, die Ängste der Bevölkerung vor Sozialstaatsreformen.

2002 stand zunächst ganz im Zeichen der Besorgnis über die stetig steigende Arbeitslosigkeit, wurde jedoch in den letzten Wochen durch den Ausbruch des Irak-Krieges thematisch völlig umgedreht und zu einem Plebiszit über die deutsche Unterstützung für den amerikanischen Vorstoß. 2005 war in vieler Hinsicht eine dramatische Wahl: durch die vorzeitige Resignation der rot-grünen Regierung, die tiefe Unzufriedenheit der Bevölkerung über die wirtschaftliche Lage wie über den Reformkurs und durch die Personenkonstellation, das Duell zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel. Damals kam niemand auf die Idee, den Unionsparteien vorzuwerfen, sie wollten „im Schlafwagen an die Macht“ gelangen. Mit der Ankündigung von Steuererhöhungen und einer Forcierung des Reformkurses überboten CDU und CSU die SPD und erhielten für diese Kühnheit im Wahlkampf viel Anerkennung – und die Quittung der Wähler.

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