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Die junge Generation im Osten (5. Oktober 2000)

Mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und der Wiedervereinigung kamen gewaltige Veränderungen auf die Bürger der ehemaligen DDR zu. Wie sich die jüngere Generation damit eingerichtet hat und wie sie sich von der westdeutschen Generation der Gleichaltrigen unterscheidet, analysiert dieser Bericht eines 28-jährigen Dresdners.

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Junge Pioniere
Den jungen Ostdeutschen gehört die Zukunft


Alles war bestens vorbereitet für Anna: Abitur, danach einer der begehrten Studienplätze in Potsdam, zwei Auslandssemester in der Sowjetunion. Und nach fünf Jahren Studium ein garantierter Job als Russischlehrerin mit überdurchschnittlichem Gehalt, guter Rente. Für diese Zukunft entschied sich Anna, als sie sich 1987, gerade 15 Jahre alt geworden, für die Russisch-Spezialschule bewarb. Ihr Staat, die DDR, hatte den Lebensweg für sie geplant. Nicht geplant war die Wende. Russischlehrerinnen waren plötzlich nicht mehr so begehrt.




Es ist ein beliebtes Spiel, alle paar Jahre eine neue Generation auszurufen. Was gab es nicht schon alles: Die 68er wurden abgelöst von den No-Future-Kids, es folgte die Generation X, später die Generation @. Seit neuestem werden die 25- bis 35-Jährigen Deutschen als „Generation Golf“ bezeichnet. Das klingt hübsch. Nur: Wo bleibt der Osten?

Die jungen Leute in Ostdeutschland haben eine einmalige Erfahrung gemacht. Sie haben ein System – die DDR – noch bewusst erlebt; sie waren noch bei den Jungen Pionieren, sie haben den Wehrkundeunterricht mitgemacht und die Messe der Meister von Morgen. Dann erlebten sie den Umbruch. Sie gingen auf Demonstrationen und sahen zum ersten (und letzten) Mal Live-Übertragungen aus der Volkskammer. Schließlich fanden sie sich in der Welt von McDonald's, MTV und Milchschnitte wieder. Und all das in ein und demselben Land.

Diese Menschen sind – ähnlich wie die „Generation Golf“ – heute etwa 25 bis 35 Jahre alt. Doch ihr Leben lässt sich mit nichts weniger vergleichen als der „trägen Bewegungslosigkeit eines gutgepolsterten Sonntagnachmittags“ (FAZ-Redakteur Florian Illies in seinem Buch Generation Golf). Sie haben mehr erlebt als die Qual der Wahl „zwischen einer grünen und einer blauen Barbour-Jacke“. Eine Generation, die vielleicht mit jahrelangem Warten auf einen Trabi aufgewachsen ist, aber ohne Golf und bundesdeutschen Wohlstand. Es gibt im Osten junge Leute, die weit entfernt leben von der Arroganz und immer währenden Ironie der sich selbst feiernden (West-) „Generation Golf“. Und an denen die Salonsicht junger Schnösel aus dem FAZ-Feuilleton vorbeigeht. In den Umbrüchen der neunziger Jahre haben sie ein feines Gespür für gesellschaftliche Spannungen und Veränderungen erworben.

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