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Stasi-Bericht über Größe und Zusammensetzung der ostdeutschen Opposition (1. Juni 1989)

Beunruhigt über das Wachstum der 160 oppositionellen Gruppen mit ungefähr 2500 Mitgliedern, analysierte die Staatssicherheit deren Ziele (unter anderem Frieden, Umweltschutz, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie Menschenrechte) und ihre Netzwerkstrukturen. Insgesamt wertet sie die Dissidenten jedoch eher als ein Produkt der Umsturzbestrebungen von außen als den Kern einer Opposition von innen.

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Eine der Hauptstoßrichtungen im subversiven Vorgehen des Gegners gegen den Sozialismus bilden Versuche der Schaffung und Legalisierung einer sogenannten inneren Opposition und der Inspirierung/Organisierung politischer Untergrundtätigkeit in den sozialistischen Staaten als »innere Druckpotentiale« zur Aufweichung, Zersetzung, politischen Destabilisierung und letztlich Beseitigung des Sozialismus.

In Durchsetzung des von imperialistischen Kreisen der USA beschlossenen antisozialistischen »Programmes für Demokratie« wirken führende politische Kräfte der NATO-Staaten darauf hin, unter der Flagge einer »Demokratisierung, Liberalisierung und eines Eintretens für politischen Pluralismus westlicher Prägung in kommunistischen Ländern« in diesen Staaten Oppositionsparteien und -bewegungen zu entwickeln und zu fördern und dabei auch eine Legalisierung bereits bestehender sogenannter unabhängiger Gruppen aktiv zu unterstützen. Dieses Vorgehen widerspiegelt sich sowohl in der Staatspolitik der imperialistischen Hauptmächte als auch in den vielfältigen subversiven Aktivitäten feindlicher Zentren und Organisationen sowie weiteren, gegen die sozialistischen Staaten wirkenden sozialismusfeindlichen Kräften. (Diese Aktivitäten sind zunehmend darauf ausgerichtet, unter Mißbrauch des KSZE-Prozesses und unter Berufung auf bestimmte Entwicklungen in einigen sozialistischen Staaten, in der DDR feindliche, oppositionelle Kräfte und personelle Zusammenschlüsse politisch, materiell und moralisch zu unterstützen sowie gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteten Handlungen zu inspirieren und zu aktivieren.)

Es ist einzuschätzen, daß die politischen, ideologischen und subversiven gegnerischen Einwirkungen sowie die von der aktuellen Lageentwicklung in einigen sozialistischen Ländern ausgehenden Einflüsse unter Teilen der Bevölkerung der DDR gewisse Wirkungen erzielen. Sie zeigen sich insbesondere im Vorhandensein (überschaubarer und unter staatlicher und gesellschaftlicher Kontrolle stehender) personeller Zusammenschlüsse, entsprechender Gruppierungen und Gruppen, die in Übereinstimmung bzw. im Zusammenwirken mit reaktionären kirchlichen Personen und gemeinsam mit äußeren Feinden im Sinne dieser gegnerischen Strategie wirksam zu werden versuchen.

Seit Beginn der 80er Jahre anhaltende Sammlungs- und Formierungsbestrebungen solcher Personen, die sich die Aufweichung, Zersetzung und politische Destabilisierung bis hin zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR zum Ziel setzen, führten zur Bildung entsprechender Gruppierungen und Gruppen. Diese sind fast ausschließlich in Strukturen der evangelischen Kirchen in der DDR eingebunden bzw. können für ihre Aktivitäten die materiellen und technischen Möglichkeiten dieser Kirchen umfassend nutzen. In der DDR akkreditierte Korrespondenten und Mitarbeiter diplomatischer Vertretungen (darunter als Diplomaten abgedeckte Geheimdienstmitarbeiter) aus nichtsozialistischen Staaten, insbesondere aus der BRD, den USA und aus Großbritannien, nehmen in diesem Prozeß einen maßgeblichen Stellenwert ein. Sie inspirieren feindliche, oppositionelle Kräfte und personelle Zusammenschlüsse zu antisozialistischen Aktivitäten, gewähren ihnen fortlaufend Unterstützung und popularisieren diesbezügliche Handlungen mit dem Ziel, solche Personen und Zusammenschlüsse unter den Schutz der internationalen Öffentlichkeit zu stellen. (Besonders aktiv treten in diesem Sinne in Erscheinung die Korrespondenten BÖRNER, HEBER und HAUPTMANN – ARD, BRÜSSAU, SCHMITZ – ZDF, SCHWARZ – »Der Spiegel« und RÖDER – epd sowie SCHWELZ – AP und NESIRKY – Reuters.)

Gegenwärtig bestehen in der DDR ca. 160 derartige Zusammenschlüsse. Unter diesen befindet sich eine größere Anzahl, von der kontinuierlich bzw. anlaßbezogen feindlich-negative bzw. anderweitige, gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Handlungen ausgehen. Sie gliedern sich in knapp 150 sogen. kirchliche Basisgruppen, die sich selbst, ausgehend von dem demagogisch vorgegebenen »Ziel« und »Inhalt« ihrer Tätigkeit bzw. ihrer personellen Zusammensetzung, bezeichnen als »Friedenskreise« (35), »Ökologiegruppen« (39), gemischte »Friedens- und Umweltgruppen« (23), »Frauengruppen« (7), »Ärztekreise« (3), »Menschenrechtsgruppen« (10) bzw. »2/3-Welt-Gruppen« (39) und sogen. Regionalgruppen von Wehrdienstverweigerern. [ . . . ]

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