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Heimlich aufgezeichnete Unterhaltungen deutscher Kernphysiker auf Farm Hall (6./7. August 1945)

Bei Kriegsbeginn wurden die führenden deutschen Kernphysiker in das Heereswaffenamt berufen, um dort im Rahmen des sogenannten Uranprojekts unter Werner Heisenbergs Leitung zu erforschen, inwieweit die von Otto Hahn und Lise Meitner 1938 entdeckte Kernspaltung für Kriegszwecke eingesetzt werden könnte. Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen im sogenannten Manhattan-Project, gelang es den deutschen Physikern allerdings nicht, eine eigene Kernwaffe zu entwickeln. Im Juni 1942 hatten die Forscher Albert Speer informiert, dass sie mit den vorhandenen Ressourcen nicht in der Lage waren, in weniger als 3-5 Jahren eine Atombombe zu bauen, woraufhin das Projekt verworfen wurde.

Nach Kriegsende versuchten die Westalliierten sowie die Sowjetunion, die deutschen Forscher für ihre eigenen Zwecke zu gewinnen. So wurden vom 3. Juli 1945 bis zum 3. Januar 1946 beispielsweise zehn deutsche Kernphysiker auf dem englischen Landsitz Farm Hall interniert, um hier durch geheimes Abhören Informationen über das deutsche Kernforschungsprojekt zu gewinnen. Die folgenden Aufzeichnungen zeigen die Reaktionen der Forscher auf die Nachricht vom amerikanischen Atombombenabwurf auf Hiroshima. Dabei gingen die Wissenschaftler auch auf ihr Verhältnis zum NS-Regime ein und gaben einige Zukunftsprognosen für Deutschland. Insbesondere Otto Hahn, der hier seine Erschütterung über den Atombombenabwurf zeigte, engagierte sich später gegen den Missbrauch der Kernenergie zur Kriegführung.

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I. Vorbemerkung

1. Dieser Bericht umfaßt die ersten Reaktionen der Gäste auf die Nachricht, daß die Alliierten eine Atombombe konstruiert und bereits zum Einsatz gebracht hätten.

2. Die Gäste waren über die Nachricht äußerst verblüfft. Zuerst wollten sie sie nicht glauben und waren der Meinung, es handle sich um einen Bluff unsererseits, um die Japaner zur Kapitulation zu bewegen. Nachdem sie die offizielle Bekanntgabe gehört hatten, wurde ihnen bewußt, daß es sich um eine Tatsache handelte. Ihre erste und, wie ich glaube, aufrichtige Reaktion waren Äußerungen des Entsetzens darüber, daß wir diese Erfindung zum Zwecke der Zerstörung eingesetzt hatten.

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II. 6. August 1945

1. Kurz vor dem Abendessen am 6. August informierte ich Prof. Hahn über eine Meldung der BBC, daß eine Atombombe abgeworfen worden sei. Hahn war von dieser Nachricht wie vernichtet und sagte, er persönlich fühle sich verantwortlich für den Tod von Hunderttausenden, weil es seine Entdeckung gewesen sei, die die Atombombe möglich gemacht habe. Er sagte mir, daß er sich, als er die schreckliche Tragweite seiner Entdeckung erkannt habe, ursprünglich mit Selbstmordgedanken getragen habe und daß jetzt, wo die Möglichkeit Wirklichkeit geworden sei, ihn die volle Schuld treffe. Mit Hilfe einer nicht unbeträchtlichen Menge Alkohol beruhigte er sich, und wir gingen hinunter zum Abendessen, wo er die Nachricht den versammelten Gästen bekanntgab.

2. Wie zu erwarten war, wurde die Nachricht mit Skepsis aufgenommen. Im folgenden sind die Gespräche während des Abendessens wiedergegeben.

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HEISENBERG: Ich glaube kein Wort von der ganze Sache. Sie müssen ihre ganzen 500000000 Pfund Sterling für die Isotopentrennung ausgegeben haben; dann ist es möglich.

WEIZSÄCKER: Wenn es leicht ist und die Alliierten wissen, daß es leicht ist, dann wissen sie auch, daß wir es bald herausfinden werden, wie es gemacht wird, wenn wir weiterarbeiten.

HAHN: Ich hätte nicht gedacht, daß es in den nächsten zwanzig Jahren möglich sein würde.

WEIZSÄCKER: Ich glaube nicht, daß es was mit Uran zu tun hat.

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DIEBNER: Wir haben immer geglaubt, wir würden zwei Jahre für eine Bombe brauchen.

HAHN: Wenn sie sie wirklich haben, dann waren sie sehr geschickt, es geheimzuhalten.

WIRTZ: Ich bin froh, daß wir sie nicht hatten.

WEIZSÄCKER: Das ist eine andere Sache. Wie überrascht wäre Benzer (?) gewesen! Sie betrachteten sie stets als ein Zauberkunststück.

WIRTZ: Döpel, Benzer (?) und Co.

HAHN: Döpel war der erste, der die Neutronenvermehrung entdeckte.

HARTECK: Wer ist schuld?

STIMME (?): Hahn ist schuld.

WEIZSÄCKER: Ich meine, es ist schrecklich von den Amerikanern, das getan zu haben. Ich meine, es ist Wahnsinn.

HEISENBERG: Das kann man nicht sagen. Ebensogut könnte man sagen: Es ist der schnellste Weg, den Krieg zu beenden.

HAHN: Das ist es, was mich tröstet.

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