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August Bebels Reichstagsrede gegen die Kolonialpolitik in Deutsch-Ostafrika (26. Januar 1889)

Im Februar 1885 hatte der deutsche Kolonialabenteurer Carl Peters (1856-1918) einen kaiserlichen Schutzbrief für das Territorium Deutsch-Ostafrika erhalten. Das Verhalten seiner Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft löste im August einen Aufstand unter den Einheimischen aus. Ein wütender Bismarck sah sich gezwungen, mithilfe einer im Januar 1889 im Reichstag eingebrachten Gesetzesvorlage die offizielle staatliche Verwaltung des Gebietes anzunehmen. Die Vorlage gab vor, deutsche Truppen gegen den Sklavenhandel zu entsenden, doch das wahre Ziel war die Niederschlagung der Rebellion und die Übernahme der Leitung von Peters’ Unternehmen. Im folgenden Auszug aus den Reichstagsdebatten bringt August Bebel (1840-1913), Deutschlands führender Sozialdemokrat, heftigen Widerstand gegen die deutsche Kolonisation zum Ausdruck.

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Meine Herren, habe ich den Herrn Abgeordneten Dr. Windthorst richtig verstanden, so ist er bereit, die geforderten 2 Millionen Mark zu bewilligen. (Zurufe: „Tribüne.“ Glocke.) – Meine Herren, wenn Sie etwas ruhiger sein wollten, werden Sie mich hören. Er war ferner bereit, die Verantwortung für die Verwendung dieser 2 Millionen Mark dem Herrn Reichskanzler* zu überlassen; er hat aber ferner in seinem Schlußworte auch erklärt, daß er bereit sei, falls die Reichsregierung es für nötig halte, weitere Mittel zu gewähren. Wie nach einer solchen Erklärung der Abgeordnete Dr. Windthorst einer eventuellen Kommissionsberatung noch eine besondere Bedeutung beilegen kann, das verstehe ich nicht. Ich kann mir dafür nur einen einzigen Grund denken. Die Herren haben sich vorhin darauf gestützt, daß im Deutschen Reiche eine besondere Begeisterung für die Kolonialpolitik zu finden sei. Meine Herren, soweit meine Kenntnis der Stimmung der deutschen Bevölkerung reicht, ist von einer solchen Begeisterung auch gar nirgends die geringste Spur vorhanden. Wenn vor 4, 5 Jahren bis zu einem gewissen Grade eine solche Begeisterung vorhanden war, so ist diese infolge der inzwischen stattgefundenen Ereignisse und Enttäuschungen verschwunden. Heute steht das deutsche Volk in seiner sehr großen Mehrheit kühl bis ins Herz hinein dieser ganzen Kolonialfrage gegenüber. Ich gehe weiter und sage, daß, wenn, wie es unzweifelhaft geschieht, die große Majorität des Reichstags die Forderung der Regierung bewilligen wird, Sie nicht imstande sind zu sagen, daß Sie darin mit der Mehrheit des Volkes übereinstimmen. Nach meiner Meinung ist das deutsche Volk nicht geneigt, sich in solche kolonialen Abenteuer, wie sie hier uns zugemutet werden, einzulassen. Um nun den Schein zu erwecken, als seien wer weiß was für wichtige Dinge in der Kommission verhandelt worden, scheint man die Kommissionsberatung nötig zu haben.

Meine Herren, was mir bei der ganzen Vorlage besonders aufgefallen ist, ist der Umstand, daß die Motivierung, wie sie uns seitens der verbündeten Regierungen vorgelegt wurde, sich in einem starken Widerspruch mit sich selbst befindet. Im Eingange dieser Begründung wird ausgeführt, daß die leitenden Grundsätze der deutschen Kolonialpolitik, wie sie 1884 und 1885 in amtlicher Erörterung die Zustimmung des Reichstags gefunden hätten, auch heute noch maßgebend seien. Es wird weiter ausgeführt, daß es sich hauptsächlich darum gehandelt hätte, die Sicherstellung des zu kolonisierenden Gebiets gegen Störungen und Eingriffe anderer Kolonialmächte herbeizuführen, daß aber alle sonstigen Schwierigkeiten und Verlegenheiten, die aus der Kolonisierung des okkupierten Gebietes erwachsen würden, das Reich nichts angingen, sondern ausschließlich Sache derjenigen sei, welche die Kolonisierung der betreffenden Länderstrecken in die Hände genommen haben.


* Otto von Bismarck.

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