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Deutschsprachige Buchproduktion in Mitteleuropa (1840-1890)

Die Buchproduktion in Deutschland erlebte nach 1848 eine Krise, als auf die Revolutionen von 1848/49 ein scharfer Einbruch folgte. Die Emigration oder Inhaftierung vieler revolutionärer Publizisten trug ebenso zu diesem Rückgang bei wie die Wachsamkeit der deutschen Zensoren. Viele Jahre lang waren Zeitungen wichtiger für die politisch gebildete Öffentlichkeit als Bücher. Erst 1879 kam die Buchproduktion wieder an das 1843 erreichte Niveau heran – mit ca. 14.000 neuen Büchern pro Jahr. Doch von 1880 bis 1913 verdoppelte sich die Buchproduktion ungefähr. In den 1850er Jahren überwogen theologische Bücher, doch diese Gattung verlor in den 1870er Jahren an Bedeutung, als pädagogische Literatur in den Vordergrund trat. Die „schöne Literatur“ machte ca. 8-10% der Buchproduktion aus, und unter den Sachbüchern gewannen die Enzyklopädien an Beliebtheit. Über den gesamten Zeitraum hinweg war die sächsische Stadt Leipzig Zentrum des deutschen Verlagswesens, obwohl Berlins Renommee und Einfluss nach 1871 zunahmen. Die Zahl der deutschen Buchhandlungen stieg in diesen Jahren ebenfalls rasch an, besonders in den größeren protestantischen Städten. Trotzdem waren Bücher weiterhin für die Mehrheit der Bevölkerung nicht erschwinglich, die ihren Lesestoff daher häufig von Leihbibliotheken bezog.

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Die deutsche Buchproduktion 1840-1890


Der Buchhandel befindet sich zwischen 1848 und 1880 offensichtlich in einer schweren Absatzkrise: erst 1879 wird der 1843 bereits erreichte Stand von Neuerscheinungen wieder eingeholt und übertroffen. Schon in den Jahren unmittelbar vor der Revolution scheint sich im Rückgang der Produktionsziffern vorzubereiten, was die Ereignisse von 1848/49 für das Lektüreverhalten bedeuteten:

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Während die Wirtschaft in der Reaktionszeit bereits einen ersten »Gründerrausch« erlebt, vermag sich der Buchhandel nur sehr langsam zu erholen: im gesamten folgenden Jahrzehnt steigt die Produktion kaum an. Entsprechend niedrig liegen Autorenhonorare und Auflagenziffern vor allem der Schönen Literatur. Der schnelleren Ausweitung des Marktes mit dem Beginn der Neuen Ära in Preußen setzt erst der Preußisch-Österreichische Krieg ein Ende, der die Krisenanfälligkeit der Buchproduktion erneut bewies und »die in Decennien mühsam entwickelte vortreffliche Organisation unseres Standes mit eherner Ferse zermalmt und auf die primitiven Zustände des vorigen Jahrhunderts zurückgeschleudert« hat. Doch bereits vom folgenden »Klassikerjahr« 1867 an beginnt der Anstieg erneut und scheint auch vom Krieg 70/71 und den Gründerkrisen nur unwesentlich gehemmt zu werden.

Während des gesamten Zeitraums nimmt die Schöne Literatur der Titelzahl nach mit etwa 8 bis 10% Anteil am Gesamtbüchermarkt den vierten Rang unter den einzelnen Sachgebieten ein: in den fünfziger Jahren ist die Vorherrschaft der theologischen und erbaulichen Werke noch immer ungebrochen – fast jedes sechste erscheinende Buch zählt zu ihnen. [ . . . ] Die eigentlichen Buchverlage vermehrten sich allein zwischen 1865 und 1880 von 668 auf 1238. 1869 gab es in Berlin 99 Sortimentshandlungen, in Leipzig 88, Hamburg 36, Wien 35, Breslau 26, Dresden und Prag je 24, Frankfurt/M. 22, München 20 und Stuttgart 19. Von den insgesamt 1515 deutschen Sortimentshandlungen im selben Jahr besaß Preußen 826 (54,5%), das Königreich Sachsen 207 (13,6%) und das Königreich Bayern 152 (10,0%).

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