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Louise Otto-Peters, Das Recht der Frauen auf Erwerb (1866)

Louise Otto-Peters (1819-1895) war eine der bekanntesten Verfechterinnen der Frauenrechte im 19. Jahrhundert. Sie stammte aus einer bürgerlichen Familie in der sächsischen Stadt Meißen. Unter dem Pseudonym „Otto Stern“ verfocht sie 1848/49 die Organisierung der Frauenarbeit und setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen für Frauen ein, mit dem Ziel, ihnen eine Alternative zur Prostitution zu bieten. Ab April 1849 arbeitete sie als Herausgeberin der Frauenzeitschrift Die Frauenzeitung, doch als das Königreich Sachsen es einer Frau unmöglich machte, ein solches Organ herauszugeben, wurde die Zeitung nach Thüringen verlegt. Louise Otto heiratete 1858 August Peters. Im Jahr 1865 war Otto-Peters zusammen mit Auguste Schmidt (1833-1902) eine der Gründerinnen des Leipziger Frauenbildungsvereins, aus dem sich im Laufe desselben Jahres der Allgemeine Deutsche Frauenverein entwickelte. Seine Zielsetzungen waren die Verbesserung der Familiengesetze sowie der Zugang für Frauen zu den akademischen Berufen – ein zentrales Thema im folgenden Text aus Otto-Peters' 1866 veröffentlichtem Buch.

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Unter den Proletariern muß Jeder arbeiten, der nicht verhungern will. Es heißt zwar immer und überall: der Mann ist der Ernährer der Familie, der Erwerber, die Frau hat nur zu erhalten; – aber wo, wie in den untersten Ständen, der Mann oft kaum genug verdienen kann das eigne Leben zu fristen, da muß die Frau auch für das ihrige selbst sorgen und die Kinder, Knaben und Mädchen, auch wieder, wenn sie groß genug sind um etwas verdienen zu können. Die Frauen, welche für den Tagelohn die gröbsten Arbeiten verrichten, bekommen einen geringeren Tagelohn als die Männer, welche ebenfalls auf Tagelohn arbeiten. Man erklärt dies für angemessen, weil in vielen Fällen die naturgemäß geringeren Kräfte der Frauen auch nur zu geringeren Leistungen ausreichen und da der männliche Körper ein größeres Quantum von Nahrungsmitteln erfordern mag als der weibliche. Aber man kann gerade nicht behaupten, daß: Holzspalten, Wassertragen und Scheuern, Waschen und Kehren, ja das schon in ein höheres Fach gehörende Plätten, leichte Arbeiten wären, sie sind bekanntlich sämmtlich sehr anstrengend – aber die Redensart vom „zarten Geschlecht“ wendet man solchen Frauen gegenüber nicht an – man besinnt sich nur noch darauf, wenn man die Frauen von irgendeinem Handwerk zurückschrecken oder die Unmöglichkeit darthun will, daß sie etwas, was Kraft und Ausdauer erfordert, üben könnten. Aber diese Frauen, welche die schwersten Arbeiten verrichten, sind noch lange nicht die beklagenswerthesten. Gegenwärtig sind sogar ihre Löhne ziemlich gestiegen, in den meisten Fällen bekommen sie gut zu essen und ihre Arbeiten sind zwar anstrengend, aber, wenn sie nicht ein gewisses Maß überschreiten, nicht gerade ungesund; der Tagelohn reicht in der Regel für den nothdürftigsten Lebensunterhalt aus. Diejenigen aber, welche nicht gelernt haben sich diesen gröbsten Arbeiten zu unterziehen oder deren Kräfte dazu nicht ausreichen, oder die durch ihre Kinder oder hilfsbedürftigen Eltern an’s Haus gefesselt sind, sich auch nicht vermiethen können, müssen solche Arbeiten verrichten, die als speciell weibliche überall verzeichnet werden: Stricken, Nähen, Sticken. – Welche Concurrenz hierin, welches Angebot der Arbeitskräfte in Bezug auf ihren Verbrauch und dafür welch’ geringer Lohn!

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