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Ministerialerlass gegen die Zwangsverpflichtung von verheirateten Frauen in der deutschen Wirtschaft (7. September 1939)

Das nationalsozialistische Weltbild, in dem Frauen die Rolle von Hausfrau und Mutter zukam, entsprach selbstverständlich nicht ganz der Realität. Verschiedene, meist halbherzige Gesetzesinitiativen zielten darauf ab, junge Frauen möglichst früh zur Ehe und zum Rückzug aus dem Arbeitsmarkt zu bewegen. Trotzdem vergrößerte sich die Zahl der Frauen, inklusive der verheirateten, in allen Wirtschaftsbereichen während der dreißiger Jahre auf insgesamt ungefähr 14 Millionen im Jahre 1939. Dabei nahm die Beschäftigung von Frauen vor allem in den Industriezweigen zu, die im Rahmen des Vierjahresplans die deutsche Aufrüstung betrieben. Schon während dieser Phase wurde die deutsche Militärproduktion erheblich vom allgemeinen Arbeitskräftemangel beeinträchtigt, was sich mit Kriegsausbruch und dem damit verbundenen Entzug deutscher Männer aus der Wirtschaft verschlimmerte. Trotzdem setzte sich Hitler entschieden einer allgemeinen Zwangsverpflichtung von Frauen in der Kriegsproduktion entgegen. Damit versuchte er nicht nur, sein propagiertes Gesellschaftsbild instand zu halten. Er zweifelte außerdem an der wirtschaftlichen Nützlichkeit von Frauen, wollte aber gleichzeitig ihre Loyalität nicht verlieren. Wie der folgende Ministerialerlass zeigt, sollten vor der vollen Integration deutscher Frauen in die Kriegswirtschaft erst alle anderen Quellen der Arbeitskräftebeschaffung ausgeschöpft werden. Mit Verlauf des Krieges bedeutete dies die zunehmende Ausbeutung von ausländischen Zwangsarbeitern.

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Berlin, 7.9.1939

Der Reichsarbeitsminister
Va 5552/398/39 g. Geheim!

Ref.: Dr. Hamann
Betr.: Dienstverpflichtung von Ehefrauen

1. Vermerk:
Herr Staatssekretär Dr. Syrup hat entschieden, dass bisher nichterwerbstätige verheiratete Frauen auch weiterhin nicht zur Erwerbsarbeit herangezogen werden sollen, sofern sie sich nicht völlig freiwillig dem Arbeitseinsatz zur Verfügung stellen. Die Landesarbeitsämter sind entsprechend anzuweisen.

2. An die Herren Präsidenten der Landesarbeitsämter (persönliche Anschriften).
Vorgang: Runderlaß vom 3.7.1939 – Va 5551.6/628/39 g.

In dem obengenannten Runderlaß habe ich bestimmt, dass im friedensmäßigen Arbeitseinsatz Frauen, die häusliche und Familienpflichten zu erfüllen haben, nicht zu Dienstverpflichtungen heranzuziehen sind, es sei denn, dass sie bisher schon als Arbeitnehmer tätig waren und ihre familiären und gesundheitlichen Verhältnisse sich inzwischen nicht geändert haben.

Auch unter den gegenwärtigen Umständen halte ich es für tunlich, auf bisher nichterwerbstätige Ehefrauen zurückzugreifen, soweit die Frauen sich nicht freiwillig dem Arbeitseinsatz zur Verfügung stellen. Ich bitte deshalb, dafür Sorge zu tragen, dass nach den Anweisungen des obengenannten Runderlasses auch weiterhin verfahren wird.

Der Kräftebedarf für Betriebe mit staatspolitisch bedeutsamen Aufgaben muß durch die Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten (Einsatz von Kräften aus staatspolitisch nicht wichtigen Betrieben – insbesondere von Arbeiterinnen und Angestellten, die durch Einschränkung oder Stilllegung derartiger Betriebe frei werden – überbezirklicher Ausgleich, Einsatz freiwilliger Kräfte usw.) befriedigt werden. Sollte dieses nicht möglich sein, bitte ich, mir zu berichten. 3. Z. d. A. (A)

i.V.
gez. Unterschrift



Quelle: Bundesarchiv Berlin R 116/260; abgedruckt in Ursula von Gersdorff, Frauen im Kriegsdienst 1914-1945. Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte, 11. Band. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1969, S. 296-97.

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