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Bielefelder Appell (Dezember 1980)

Um sich von dem Vorwurf der kommunistischen Unterwanderung der Friedensbewegung zu distanzieren, schlossen sich verschiedene sozialdemokratische Gruppen im Bielefelder Appell zusammen, der die Ziele der Krefelder Erklärung nochmals betonte.

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Zu Beginn der siebziger Jahre haben wir große Erwartungen in die Friedens- und Entspannungspolitik unserer Partei gesetzt. Sie zog eine Serie positiver Ergebnisse (menschliche Erleichterungen, Vertragspolitik, sichere Arbeitsplätze durch Osthandel) nach sich, die niemand leugnen kann und die auch einen großen Vertrauensgewinn für unsere Partei in der Bevölkerung gebracht haben. Dies spiegelt sich auch in den Wahlergebnissen wider, und viele, vor allem aktive, junge Genossinnen und Genossen wurden gewonnen. Beide, das Vertrauen und der sichtbare Fortschritt, steht (sic!) jetzt auf dem Spiel.

Vor einem Jahr, am 12. Dezember 1979, wurde der Brüsseler NATO-Raketenbeschluß gefaßt. Inzwischen wird immer klarer, daß es sich dabei um eine verhängnisvolle Fehlentscheidung gehandelt hat. Die erwartete Ratifizierung des SALT-II-Abkommens durch das amerikanische Parlament war für den SPD-Bundesparteitag in West-Berlin und die Bundesregierung die Voraussetzung für die Zustimmung zu diesem Beschluß. In seinen öffentlichen Erklärungen versicherte Helmut Schmidt, daß seine Regierung die Zeit von der Annahme des Beschlusses bis zur Stationierung der neuartigen amerikanischen Mittelstreckenraketen im Jahre 1983 zu Verhandlungen über die Begrenzung des nuklearstrategischen Potentials in Europa nutzen wolle, um zu einem militärischen Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau zu gelangen. Er betonte ferner den „Doppelcharakter" des Beschlusses und verwies auf den Vorrang des darin enthaltenen Verhandlungsangebots. Zu ernst zu nehmenden Verhandlungen kam es bisher jedoch nicht. Statt dessen werden alle Vorbereitungen getroffen, die neuen Waffensysteme einzuführen und vollzogene Tatsachen zu schaffen.

Diese Entwicklung widerspricht dem eindeutigen Willen des SPD-Bundesparteitages. Die Parteimitglieder müssen sich getäuscht fühlen und die SPD ist in Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung zu verlieren. Kommt es nicht alsbald zu Verhandlungen über die eurostrategischen Waffen, so wird eine neue Runde des Wettrüstens einsetzen, in deren Zentrum Europa steht. Die „Sicherheit für Deutschland" wäre mehr denn je in Gefahr. Wir würden unsere Zukunft einer amerikanischen Entscheidung ausliefern, die beinhaltet, daß ein auf Europa begrenzter Atomkrieg führbar ist.

Für die USA übernimmt jetzt ein Präsident die Regierungsgeschäfte, dessen erklärtes Ziel die weitere Aufrüstung ist und der das SALT-II-Abkommen als gegenstandslos betrachtet.

Der ungehinderte Fortgang des Wettrüstens bringt auch für die Bundesrepublik, insbesondere für die Arbeitnehmerschaft, Belastungen, wie man sie sich bisher nicht vorstellen konnte. Das zeigen die Schwierigkeiten bei der Abfassung des neuen Regierungsprogramms. In wichtigen sozialen Bereichen wurde spürbar der Rotstift angesetzt. Die gegenwärtige wirtschaftliche Krise und die sozialen Schwierigkeiten – das wird immer klarer – haben ihre Ursachen im wesentlichen im ständigen Wettrüsten. Die Forderungen u.a. der USA nach erheblichen realen Zuwachsraten des Verteidigungshaushaltes und die 3%-Vereinbarung der NATO sind nicht akzeptabel. Die entscheidenden Kräfte in der Koalition müssen endlich notwendige Abstriche im Rüstungssektor vornehmen und nicht den Sozialabbau vorantreiben.

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