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Sozialpolitik und Frauen (1989)

Die Tabelle zeigt einen Ausschnitt der arbeits- und sozialpolitischen Maßnahmen, die speziell auf die Belange von Frauen und Müttern abzielen und verdeutlicht die Bedeutung dieser Politik in beiden deutschen Staaten sowie Ähnlichkeiten (z.B. beim Schwangerschaftsschutz) und Unterschiede (z.B. die bessere Versorgung mit Kinderkrippen in der DDR).

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Frauenspezifische arbeits- und sozialpolitische Regelungen und Rahmenbedingungen


DDR BRD

Grundsätzliches

Verfassungsmäßig garantiertes Recht eines jeden auf einen Arbeitsplatz nach freier Wahl entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation;

Pflicht zur Leistung gesellschaftlich nützlicher Tätigkeit: Recht und Pflicht aller Jugendlichen zum Erlernen eines Berufs; gesetzliche Pflicht des Betriebes zur Weiterbeschäftigung; Betrieb war nach einer von ihm ausgegangenen Auflösung eines Arbeitsvertrags verpflichtet, dem Betroffenen einen Änderungs- oder Überleitungsvertrag über eine zumutbare andere Arbeit anzubieten; eigenständige Entscheidung der Frau über das Fortbestehen einer Schwangerschaft innerhalb der ersten zwölf Wochen (Fristenregelung)

Grundgesetzlich garantiertes freies Wahlrecht in Hinblick auf die Ausbildung, den Beruf und den Arbeitsplatz;

Möglichkeit der Verpflichtung des Betriebs zur Weiterbeschäftigung nach der Ausbildung;

Möglichkeit der Kündigung durch den Arbeitgeber aus betriebs- oder personenbezogenen Gründen, sofern sie nicht sozial ungerechtfertigt ist;

erweiterte Indikationsregel, nach der eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen straflos bleibt, wenn Indikationsfeststellung und Beratung absolviert wurden

I. Schutzrechtliche Regelungen
- weitgehend im Arbeitsgesetzbuch fixiert - kein einheitliches Gesetzbuch, Arbeitsrecht als Bestandteil des Privat- oder Zivilrechts
1. Grundsätzliche Fixierung des besonderen Schutzes von Frauen bei der Aufnahme und Ausübung einer beruflichen Tätigkeit 1. Fixierung von Schutzrechten im Mutterschutzgesetz, in der Arbeitszeitordnung usw.
2. Arbeitsschutzbestimmungen für Frauen entsprechend ihrer physischen und physiologischen Besonderheiten (Tragenormen usw.) bzw. Sonderbestimmungen bei Schwanger- und Mutterschaft (Verbot von Nacht- und Überstundenarbeit für Schwangere und stillende Mütter usw.) 2. Beschäftigungsverbote, die mit dem Schutz von Frauen begründet werden (z.B. im Bauhauptgewerbe), und Schutzregelungen bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten (z.B. Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen) sowie Normen des Mutterschutzgesetzes für schwangere Frauen und stillende Mütter (Verbot von Nacht-, Mehr- und Feiertagsarbeit usw.)
- Bestimmungen wirkten sich im allgemeinen nicht benachteiligend aus - Schutzrechte wirken auch als Einstellungs- und Aufstiegshandikap, da ihre Berücksichtigung Nachteile für die Personalkostenkalkulation bringen kann
3. Bestimmungen zum Schutz bei Schwangerschaft und Mutterschaft
- Schwangerschafts- und Wochenurlaub von 6 Wochen vor und 20 Wochen nach der Entbindung (Vergütung: durchschnittlicher Nettoverdienst) - Schwangerschafts- und Wochenurlaub von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung (dieser Zeitraum entspricht ab 1994 der EG-Mindestnorm) (Mutterschaftsgeld: in der Regel durchschnittlicher Nettoverdienst)
- Kündigungsschutz für Schwangere, stillende Mütter, Mütter mit Kindern bis zu 1 Jahr, Mütter/Väter im 'Babyjahr' (vgl. 4.) und Alleinerziehende mit Kindern bis zu 3 Jahren - Kündigungsschutz für Schwangere und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung sowie in der Regel während des Erziehungsurlaubs (vgl. 4.)
4. Bestimmungen zur Freistellung von der Arbeit und zur Dauer der Arbeitszeit
- bezahlte Freistellung im Anschluß an den Wochenurlaub (in Ausnahmefällen auch dem Vater oder der Großmutter des Kindes gewährt)
* für das 1. und 2. Kind: 1 Jahr
* ab dem 3. Kind: 18 Monate
* für Alleinerziehende: bis zum 3. Lebensjahr des Kindes, sofern kein Krippenplatz zur Verfügung stand (für Verheiratete unbezahlt)
(Vergütung: 70-90% des Nettodurchschnittsverdienstes)
- Bundeserziehungsgeld- und -urlaubsgesetz (Anspruch: Mütter und Väter)
- 18 Monate Erziehungs„urlaub“ für jedes Kind
- Erziehungsgeld bei Unterbrechung der Erwerbstätigkeit oder Reduzierung auf maximal 19 Wochenstunden
- 600 DM für 6 Monate einkommensunabhängig, dann einkommensabhängig (Grenze bei 1 Kind: 29.400 DM Jahreseinkommen plus 4.200 DM für jedes weitere Kind, wird nicht auf Sozial-, Arbeitslosenhilfe oder Wohngeld, aber auf das Mutterschaftsgeld angerechnet
- Alleinerziehende erhalten für die gesamte Dauer des Erziehungsurlaubs das volle Erziehungsgeld (bis zu einem Jahresnettoeinkommen von 23.700 DM bei 1 Kind plus 4.200 DM für jedes weitere Kind)
- ab 1.1.1992: bei Kindern vom Geburtsjahrgang 1992 an können die Eltern 3 Jahre Erziehungsurlaub nehmen. Verlängerung der Bezugsdauer von Erziehungsgeld für Geburten ab 1.1.1993 von 18 auf 24 Monate (ab dem ersten Monat einkommensabhängig)
- weitreichende Rückkehrrechte auf den vorherigen bzw. einen äquivalenten Arbeitsplatz nach der Freistellungszeit - kein Anspruch nach Rückkehr auf den vorherigen, aber auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz
- spätere Berufsrückkehr wird durch die unzureichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten erschwert (Teilzeitarbeit als verbreitete Strategie)
- monatlich ein bezahlter Hausarbeitstag für vollbeschäftigte Frauen mit eigenem Haushalt, wenn sie verheiratet waren, wenn mindestens 1 Kind bis zu 18 Jahren oder pflegebedürftige Angehörige im Haushalt lebten oder wenn sie das 40. Lebensjahr vollendet hatten (für Männer nur, wenn sie alleinerziehend waren oder eine pflegebedürftige Ehefrau hatten) - länderspezifische Regelungen zum Haushaltstag, die aufgrund der darin vorgeschriebenen Arbeitszeiten kaum noch Anwendung finden
- bezahlte Freistellungen zur Pflege erkrankter Kinder bis zum Alter von 14 Jahren (in Ausnahmefällen auch dem Vater oder anderen Personen gewährt)
* 4 Wochen im Jahr bei 1 Kind (für Alleinerziehende)
* 6 Wochen im Jahr bei 2 Kindern
* 8 Wochen im Jahr bei 3 Kindern
* 10 Wochen im Jahr bei 4 Kindern
* 13 Wochen im Jahr bei 5 und mehr Kindern
(Vergütung: 70-90% des Nettodurchschnittsverdienstes)
- bezahlte Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder in Höhe von mindestens 80% des Nettodurchschnittsverdienstes bis zu 5 Arbeitstagen pro Elternteil und je Kind bis zum Alter von 8 Jahren (Anspruch eines Elternteils ist nicht auf den anderen übertragbar)
- ab 1.1.1992: Erhöhung des Anspruchs auf Krankengeld für jedes Kind bis zum Alter von 12 Jahren bis zu 10 Arbeitstagen je Kalenderjahr (bei Verheirateten pro Elternteil, bei Alleinerziehenden bis zu 20 Arbeitstagen pro Kind)
- ab 1.1.1993: bezahlte Freistellung bis zum Alter von 14 Jahren des Kindes
- Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 43¾ auf 40 Stunden bei vollem Lohnausgleich, wenn mindestens 2 Kinder unter 16 Jahren im Haushalt lebten bzw. bei Dreischichtarbeit (Zweischichtarbeit: 42 Stunden) - in Abhängigkeit vom Tarifvertrag wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden oder weniger (durchschnittliche Wochenarbeitszeit etwa 38,5 Stunden)



Quelle: Heike Trappe, Emanzipation oder Zwang? Frauen in der DDR zwischen Beruf, Familie und Sozialpolitik. Berlin, 1995, S. 40-45.

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